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14.03.2009, 21:06
Lotto und Co.

Der widersprüchliche Kampf gegen die Spielsucht

Vor einem guten Jahr wurde der Glücksspielstaatsvertrag eingeführt. Seither büßen Lotterien viel Geld ein – ebenso wie Wohlfahrtsprojekte. Insgesamt scheinen sich sogar die staatlichen Lotterien zunehmend einig zu sein, dass das neue Glücksspielgesetz mehr Fluch als Segen ist.

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Lotto am Selbstbedienungsautomaten

Gundula und Siegbert Kreutzner waren lange Zeit fester Bestandteil des ARD-Abendprogramms. Kurz vor den Nachrichten sah man das Rentnerpaar händchenhaltend an einem einsamen Strand, über ihnen die pralle Sonne, hinter ihnen ein stattliches Wohnmobil. „Unser Platz an der Sonne ist elf mal zwei Meter fünfzig groß“, sagte eine Stimme aus dem Off. Und was hatte dieses kleine Glück möglich gemacht? Es war ein Los der ARD-Fernsehlotterie. Dass das Rentnerpaar inzwischen vom Bildschirm verbannt wurde, hat nicht etwa damit zu tun, dass der TV-Spot nicht erfolgreich gewesen wäre. „Wir mussten ihn aus dem Verkehr ziehen, weil er nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag glücksspielanreizend sei“, sagt Christian Kipper. Und obwohl es schon Monate her ist, dass der Geschäftsführer der ARD-Fernsehlotterie die Werbung vom Schirm nehmen musste, gerät der freundliche Mann mit der sonoren Stimme darüber noch immer ins Grollen.

Das Verbot des TV-Spots ist nur eines von vielen lästigen Symptomen des sogenannten Glücksspielstaatsvertrags. Seit Anfang 2008 sichert das Gesetz das staatliche Monopol auf Glücksspiele. Die staatlichen Lotteriebetreiber frohlockten zu Beginn, weil der Vertrag auch die aufkommende Konkurrenz aus dem Ausland im Keim erstickte. Doch mit der Zeit mischte sich Trübsal in ihre Freude. So hatte der Gesetzgeber ihnen das Monopol nur unter der Auflage zugesichert, dass sie die Spielsucht effektiv bekämpfen würden. Die daraus resultierenden strengen Werbeauflagen, die auch dem Fernsehspot der ARD-Fernsehlotterie den Garaus gemacht haben, reißen große Löcher in die Kassen der Anbieter. Die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) etwa beklagte 2008 Umsatzeinbrüche von mehr als 30 Prozent.

Dass auch die gemeinnützigen Soziallotterien in die allgemeine Abwärtsspirale geraten, empfindet der Chef der ARD-Fernsehlotterie Kipper als besonders ungerecht: Im Vergleich zu anderen Lotterien, wo ein Jackpot bisweilen mehrstellige Millionengewinne enthalten kann, sei der Anreiz zur Sucht beim „Platz an der Sonne“ doch sehr beschränkt, sagt er. In der Tat lockt die ARD-Fernsehlotterie mit eher überschaubaren Preisen wie Reisen oder Autos. Eine Million Euro sind mit Abstand der Höchstgewinn. Darüber hinaus engagiert sich die ARD-Fernsehlotterie schon seit ihrer Gründung vor 52 Jahren für Hilfebedürftige. Mindestens 48 Prozent der Umsätze fließen in karitative Projekte – Kinderdörfer, Hospize, Frauenhäuser gehören dazu, das Deutsche Rote Kreuz und die Arbeiterwohltätigkeitsorganisationen. 74 Mio. Euro kamen 2008 dafür zusammen. Aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags dürfte dieser Betrag mittelfristig um 20 bis 30 Prozent sinken, schätzt Kipper.

Doch nicht nur die strengen Werbeauflagen behindern das Geschäft. Noch schwerer wiegt, dass das Gesetz den Vertrieb über das Internet verboten hat. Um die Suchtgefahr abzuschwächen, können Glücksspieler die Lose nicht mehr direkt auf den Internetseiten der ARD-Fernsehlotterie erwerben. Stattdessen müssen sie ihre Daten hinterlassen, werden von der Lotterie angeschrieben und bekommen erst nach schriftlicher Einverständniserklärung das Los per Einschreiben zugeschickt.

Nicht nur Kipper ist mit solchen Regelungen unzufrieden – insgesamt scheinen sich die staatlichen Lotterien zunehmend einig zu sein, dass das neue Glücksspielgesetz mehr Fluch als Segen ist. Dass der Gesetzgeber den Vertrag kurzfristig ändern könnte, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Nachdem sich die Länder so intensiv für den Vertrag eingesetzt hätten, würden sie schon aus Angst vor Gesichtsverlust nicht so schnell wieder zurückrudern, sagen Insider. Selbst von der EU-Kommission, der das Vertragswerk ebenfalls ein Dorn im Auge ist, ist vorerst kein Durchgreifen zu erwarten. Zwar hatte die Kommission kurz nach Inkrafttreten des Vertrags sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil sie das neue Gesetz für widersprüchlich hält. So lässt der Vertrag zum Beispiel Spielautomaten außen vor, obwohl von diesen womöglich eine höhere Suchtgefahr ausgeht als von Lotterien. Doch das Verfahren stagniert. Bis zur Europawahl im kommenden Sommer geschehe da nichts, mutmaßen Insider.

Und so wird sich auch Soziallotterie-Chef Kipper noch etwas in Geduld üben müssen. Statt des Rentnerpaars hat inzwischen Diana Schmitz im ARD-Abendprogramm Einzug gehalten: Mit ihrer Tochter sitzt sie in einem Sandkasten eines Frauenhauses. „Unser Platz an der Sonne ist zwei mal zwei Meter groß“, heißt es aus dem Off. Mit dem Verweis auf das Frauenhaus stehe klar der soziale Aspekt der Lotterie im Zentrum des Werbespots, sagt Kipper. Deshalb darf der TV-Spot bleiben.

Quelle: <a href="http://www.welt.de/finanzen/article3297534/Der-widerspruechliche-Kampf-gegen-die-Spielsucht.html">http://www.welt.de/finanzen/article3297 ... sucht.html</a>