spielo
28.01.2010, 08:42
Grace soll der Spielbank Glück bringen
Zum Zocken ohne Schlips: Mit Partymacher Uwe Reiser und Spitzenkoch Martin Öxle will das Casino raus aus der Krise
Rien ne va plus? Es soll wieder was gehen im Stuttgarter Casino. Zocker müssen keinen Schlips mehr tragen. Mit neuem Schwung will die Spielbank raus aus der Krise. Die Krawattenpflicht ist bereits aufgehoben. Und im März eröffnet Partyprofi Uwe Reiser im SI-Centrum die Lounge Grace mit Spielanschluss.
Von Uwe Bogen
Diagonal gestreift sind alle hier am Tresen, die zur fröhlichen Jungherrenrunde gehören, die aus Balingen ganz ohne Frau und Frust angereist ist. Zum Besuch einer Spielbank, so dachten die Männerausflügler bisher, braucht man mehr oder weniger Geld - und vor allem aber eine Krawatte.
Also haben sie sich fein gemacht, damit dem Spaß im Casino in Möhringen nichts im Wege steht. Farblich unterschiedlich fallen ihre diagonal gestreiften Krawatten aus, von dezent bis knallig. Der Wille zum Vergnügen dagegen weist bei diesen jungen Männern keine Differenzen auf. Um Riesengewinne geht es ihnen nicht. Ihre Anzugtaschen sind mit roten Zwei-Euro-Jetons gefüllt, der kleinstmöglichen Währung im Zockerreich. Bevor sich die Großstadtbesucher ins Spielgeschehen stürzen, wird an der Bar erst mal was gekippt und Erstaunen bekundet.
Dass man nur noch ein Sakko braucht, damit sich die Türen des Möhringer Casinos öffnen, aber keine Krawatte mehr, hat sich bis an den Fuß der Schwäbischen Alb wohl noch nicht herumgesprochen. Anders als im noblen Baden-Baden besteht Stuttgart nicht mehr auf den Schlips. Den Besuchern aus Balingen behagt dies nicht so recht. "Ein Casinobesuch sollte doch was Festliches haben", findet Sven, während er eher schnell als feierlich in seinem Caipi das Eis verrührt. "Wenn wir schon Haus und Hof verspielen, dann aber bitte glanzvoll", fügt sein Kumpel Andi schmunzelnd hinzu und blickt sogleich staunend auf einen der Monitore, die alle Roulette-Gewinnzahlen stets live anzeigen. Schon wieder ist Zero gekommen!
Geht auch der Gewinn der Spielbank gegen null? Kein leichtes Spiel haben die deutschen Casinos in diesen Zeiten. Die Croupiers, so lautet ein Insider-Witz, schieben nur noch eine ruhige Kugel. Finanzkrise, Rauchverbot, Spielhallen, die Spielbank-Konkurrenz im Internet - das alles setzt den staatlichen Glücksverwaltern gewaltig zu.
Stuttgart steht vergleichsweise gut da. Hier ist der Umsatz im Großen Spiel, also bei den Klassikern wie Roulette, Poker und Black Jack, im vergangenen Jahr stabil geblieben. Im Kleinen Spiel aber, also beim Automatenspiel, fällt der Umsatzrückgang "zweistellig" aus, wie Otto Wulferding, Geschäftsführer der Stuttgarter Spielbank, klagt. Weil das meiste Geld mit Automaten erwirtschaftet wird, muss das Land enorme Einbußen hinnehmen. Die Jahresbilanz mit allen Zahlen will Wulferding erst in einigen Tagen veröffentlichen. Die "zügellose Ausbreitung" der Spielhallen in der Stadt, sagt er, wirke sich immer dramatischer auf die staatlichen Einrichtungen aus. Der privaten Konkurrenz werde es viel zu leicht gemacht. Sie muss nicht jeden Besucher registrieren und von ihm den Ausweis verlangen, um bereits aufgefallene Spielsüchtige zu stoppen.
Rien ne va plus? Wenn es eng wird, sind Ideen gefragt. Wulferding will ein junges Szenepublikum anlocken - dafür soll Aer-Club-Chef Uwe Reiser sorgen, der mit seiner Reihe "Perfect Lovers" zu den Lieblingen des Partypublikums zählt. Reiser übernimmt im März im Glasanbau des Eingangs das seit einem Jahr geschlossene Restaurant Ecco. Das hatte Spitzenkoch Martin Öxle seit 1995 geführt. Der frühere Zwei-Sterne-Koch der Speisemeisterei wiederum ist mit seinem gastronomischen Angebot direkt ins klassische Spiel nach unten gezogen. Öxles Bistro soll der neue Ort heißen. Reiser will der Lounge, die über Poker-Tische sowie über das erste Roulette mit Touchscreen verfügt, den klangvollen Namen Grace geben, nach Grace Kelly, der 1982 im Zockerparadies Monaco verstorbenen Fürstin.
Für die Inneneinrichtung der Lounge ist Architekt Gregor Scholz zuständig, der das Café Scholz am Marktplatz betreibt und unter anderem die Speisemeisterei neu gestaltet hat. Ein Club mit Discobetrieb soll das Grace, das donnerstags bis samstags bis 3 Uhr öffnet, nicht werden, sagt Reiser, sondern eine hochmoderne Lounge, die auch die Besucher der Musicals erreicht. Weil das Grace mit den Geldgewinnmöglichkeiten ein Teil der Spielbank wird, muss sich jeder Besucher für 2,50 Euro registrieren lassen. Die Sakkopflicht, die fürs Casino gilt, will Reiser aber nicht auch noch übernehmen.
Bringen ein Partymacher und ein Spitzenkoch die Spielbank wieder nach oben? Martin Öxle wird immer öfter in der Küche des Casinos gesehen. Eigentlich wollte er sich nach dem Abschied aus der Speisemeisterei im Ruhestand mehr Ruhe gönnen. "Wenn ich etwas mache, dann richtig", sagt er. Wer ihn kennt, weiß, dass er zur Perfektion neigt. Sein Anspruch ist hoch, auch wenn Öxle keine Sterneküche mehr anstrebt. Im Casino muss er für die Spieler auch mal Pommes mit Ketchup oder eine Gulaschsuppe zubereiten und hat damit, wie er versichert, "keine Probleme". Ein ganz spezielles Publikum trifft sich im Casino. Die Beobachtung der Spieler kann spannender sein als das Spiel selbst. Viele asiatische Frauen drehen hier ihre Runde. Den Angstschweiß älterer Herren kann man riechen. Coole Zocker lassen ihre Gefühlslage nicht erkennen, wenn sie ein Dutzend 100-Euro-Jetons im Handumdrehen verspielen. Der Croupier fährt mit der Hand durch die Luft und sagt "Nichts geht mehr". Dies gilt nur für den Moment. Denn das Spiel geht immer weiter.
Zum Zocken ohne Schlips: Mit Partymacher Uwe Reiser und Spitzenkoch Martin Öxle will das Casino raus aus der Krise
Rien ne va plus? Es soll wieder was gehen im Stuttgarter Casino. Zocker müssen keinen Schlips mehr tragen. Mit neuem Schwung will die Spielbank raus aus der Krise. Die Krawattenpflicht ist bereits aufgehoben. Und im März eröffnet Partyprofi Uwe Reiser im SI-Centrum die Lounge Grace mit Spielanschluss.
Von Uwe Bogen
Diagonal gestreift sind alle hier am Tresen, die zur fröhlichen Jungherrenrunde gehören, die aus Balingen ganz ohne Frau und Frust angereist ist. Zum Besuch einer Spielbank, so dachten die Männerausflügler bisher, braucht man mehr oder weniger Geld - und vor allem aber eine Krawatte.
Also haben sie sich fein gemacht, damit dem Spaß im Casino in Möhringen nichts im Wege steht. Farblich unterschiedlich fallen ihre diagonal gestreiften Krawatten aus, von dezent bis knallig. Der Wille zum Vergnügen dagegen weist bei diesen jungen Männern keine Differenzen auf. Um Riesengewinne geht es ihnen nicht. Ihre Anzugtaschen sind mit roten Zwei-Euro-Jetons gefüllt, der kleinstmöglichen Währung im Zockerreich. Bevor sich die Großstadtbesucher ins Spielgeschehen stürzen, wird an der Bar erst mal was gekippt und Erstaunen bekundet.
Dass man nur noch ein Sakko braucht, damit sich die Türen des Möhringer Casinos öffnen, aber keine Krawatte mehr, hat sich bis an den Fuß der Schwäbischen Alb wohl noch nicht herumgesprochen. Anders als im noblen Baden-Baden besteht Stuttgart nicht mehr auf den Schlips. Den Besuchern aus Balingen behagt dies nicht so recht. "Ein Casinobesuch sollte doch was Festliches haben", findet Sven, während er eher schnell als feierlich in seinem Caipi das Eis verrührt. "Wenn wir schon Haus und Hof verspielen, dann aber bitte glanzvoll", fügt sein Kumpel Andi schmunzelnd hinzu und blickt sogleich staunend auf einen der Monitore, die alle Roulette-Gewinnzahlen stets live anzeigen. Schon wieder ist Zero gekommen!
Geht auch der Gewinn der Spielbank gegen null? Kein leichtes Spiel haben die deutschen Casinos in diesen Zeiten. Die Croupiers, so lautet ein Insider-Witz, schieben nur noch eine ruhige Kugel. Finanzkrise, Rauchverbot, Spielhallen, die Spielbank-Konkurrenz im Internet - das alles setzt den staatlichen Glücksverwaltern gewaltig zu.
Stuttgart steht vergleichsweise gut da. Hier ist der Umsatz im Großen Spiel, also bei den Klassikern wie Roulette, Poker und Black Jack, im vergangenen Jahr stabil geblieben. Im Kleinen Spiel aber, also beim Automatenspiel, fällt der Umsatzrückgang "zweistellig" aus, wie Otto Wulferding, Geschäftsführer der Stuttgarter Spielbank, klagt. Weil das meiste Geld mit Automaten erwirtschaftet wird, muss das Land enorme Einbußen hinnehmen. Die Jahresbilanz mit allen Zahlen will Wulferding erst in einigen Tagen veröffentlichen. Die "zügellose Ausbreitung" der Spielhallen in der Stadt, sagt er, wirke sich immer dramatischer auf die staatlichen Einrichtungen aus. Der privaten Konkurrenz werde es viel zu leicht gemacht. Sie muss nicht jeden Besucher registrieren und von ihm den Ausweis verlangen, um bereits aufgefallene Spielsüchtige zu stoppen.
Rien ne va plus? Wenn es eng wird, sind Ideen gefragt. Wulferding will ein junges Szenepublikum anlocken - dafür soll Aer-Club-Chef Uwe Reiser sorgen, der mit seiner Reihe "Perfect Lovers" zu den Lieblingen des Partypublikums zählt. Reiser übernimmt im März im Glasanbau des Eingangs das seit einem Jahr geschlossene Restaurant Ecco. Das hatte Spitzenkoch Martin Öxle seit 1995 geführt. Der frühere Zwei-Sterne-Koch der Speisemeisterei wiederum ist mit seinem gastronomischen Angebot direkt ins klassische Spiel nach unten gezogen. Öxles Bistro soll der neue Ort heißen. Reiser will der Lounge, die über Poker-Tische sowie über das erste Roulette mit Touchscreen verfügt, den klangvollen Namen Grace geben, nach Grace Kelly, der 1982 im Zockerparadies Monaco verstorbenen Fürstin.
Für die Inneneinrichtung der Lounge ist Architekt Gregor Scholz zuständig, der das Café Scholz am Marktplatz betreibt und unter anderem die Speisemeisterei neu gestaltet hat. Ein Club mit Discobetrieb soll das Grace, das donnerstags bis samstags bis 3 Uhr öffnet, nicht werden, sagt Reiser, sondern eine hochmoderne Lounge, die auch die Besucher der Musicals erreicht. Weil das Grace mit den Geldgewinnmöglichkeiten ein Teil der Spielbank wird, muss sich jeder Besucher für 2,50 Euro registrieren lassen. Die Sakkopflicht, die fürs Casino gilt, will Reiser aber nicht auch noch übernehmen.
Bringen ein Partymacher und ein Spitzenkoch die Spielbank wieder nach oben? Martin Öxle wird immer öfter in der Küche des Casinos gesehen. Eigentlich wollte er sich nach dem Abschied aus der Speisemeisterei im Ruhestand mehr Ruhe gönnen. "Wenn ich etwas mache, dann richtig", sagt er. Wer ihn kennt, weiß, dass er zur Perfektion neigt. Sein Anspruch ist hoch, auch wenn Öxle keine Sterneküche mehr anstrebt. Im Casino muss er für die Spieler auch mal Pommes mit Ketchup oder eine Gulaschsuppe zubereiten und hat damit, wie er versichert, "keine Probleme". Ein ganz spezielles Publikum trifft sich im Casino. Die Beobachtung der Spieler kann spannender sein als das Spiel selbst. Viele asiatische Frauen drehen hier ihre Runde. Den Angstschweiß älterer Herren kann man riechen. Coole Zocker lassen ihre Gefühlslage nicht erkennen, wenn sie ein Dutzend 100-Euro-Jetons im Handumdrehen verspielen. Der Croupier fährt mit der Hand durch die Luft und sagt "Nichts geht mehr". Dies gilt nur für den Moment. Denn das Spiel geht immer weiter.