Tessin: Einarmige Banditen animieren zum Steuerbetrug
Mit Slot-Maschinen haben Wirte und Hersteller riesige Umsätze erzielt. Jetzt zeigt sich: Viele haben ihre Gewinne nicht versteuert.
«Netto habe ich in einem Jahr zweieinhalb Millionen Franken verdient», erzählte der Mann im «Corriere del Ticino». Sein Geschäft: Er hat 25 Spielautomaten an Tessiner Gastbetriebe vermittelt und sich den Gewinn mit den Wirten und dem Hersteller geteilt. Die Hälfte erhielten die Wirte, je ein Viertel die beiden anderen. Besonders lukrativ sei das Geschäft gewesen, weil sie den Steuerbehörden höchstens zehn Prozent der effektiven Gewinne mitgeteilt hätten. «Ich war bloss ein kleiner Fisch», sagte der Mann. Ende der Neunzigerjahre seien rund 2500 solcher Apparate in Tessiner Gasthäusern in Betrieb gewesen. Daher dürfte die Spielautomatenbranche pro Jahr um die 450 Millionen schwarz kassiert haben.
50 Millionen hinterzogen
Der Mann weiss, wovon er spricht. Mit einer Selbstanzeige hat er im Jahr 2002 Ermittlungen ausgelöst, die bis heute Wellen werfen. Allein im Tessin sollen Steuern im Umfang von 50 Millionen hinterzogen worden sein. Zuständig dafür ist die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (ASU) der eidgenössischen Steuerverwaltung. Deren Sprecher Thomas Brückner will zwar keine Zahlen nennen, aber er bestätigt, dass die ASU «wegen Verdachts auf Steuerwiderhandlungen» untersucht.
Als eine Art Steuerpolizei des Bundes darf die ASU Hausdurchsuchungen und auch Beschlagnahmungen vornehmen. Stösst sie auf Steuerhinterziehung, geht der Fall an die kantonale Steuerverwaltung. Vermutet sie Betrug oder Urkundenfälschung, übernehmen die Strafverfolgungsbehörden des Kantons.
In die Fänge der ASU geriet auch Sebastiano Brunschwiler. Der 73-jährige St. Galler, der seit den Sechzigerjahren im Tessin lebt, hat lange mit Spielautomaten geschäftet. Sieben Millionen Franken an Nachsteuern und Busse verlangten die Behörden von ihm, sagte er der Sonntagszeitung «Il Caffè». Er wehrt sich seit Jahren gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung und hat seinen Fall nun öffentlich gemacht.
In sechs Jahren ruiniert
Er habe seine Buchhaltung vielleicht nicht immer sorgfältig geführt, aber sicher nicht jene Beträge verdient, die man ihm jetzt vorwerfe. In sechs Jahren habe ihn die ASU ruiniert. Ihm seien nur noch der Bauernhof und die Pferde geblieben, sagt der unter Pferdefreunden bekannte Brunschwiler. Die Steuerverwaltung will dazu nur allgemein Stellung nehmen. «Die ASU setzt ihre Ermittlungsbefugnisse verhältnismässig ein», erklärt Abteilungssprecher Brückner. Zudem könnten Betroffene Beschwerde einreichen.
Laut ihm ermittelt die ASU auch in anderen Kantonen wegen möglicher Steuerdelikte im Zusammenhang mit Geldspielautomaten. Da die meisten Apparate inzwischen nicht mehr in Gastbetrieben, sondern nur noch in lizenzierten Kasinos aufgestellt werden dürfen, handelt es sich bei den Verfahren um die Bereinigung von Altlasten. Tatsächlich habe sich «die Problematik entschärft», sagt Brückner. Trotzdem sei nicht auszuschliessen, dass bei Glückspielen nach wie vor Steuern hinterzogen würden.
Quelle:thurgauerzeitung.ch
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