Russland will das Glücksspiel in vier Gebieten konzentrieren. Die Branche läuft dagegen Sturm. Das Hauptproblem ist, dass die Spielzonen noch weit davon entfernt sind, den Betrieb aufzunehmen.

Von unserem Wirtschaftskorrespondenten in Russland, Gerald Hosp


Moskau, Ende Mai

Noch flackern die Lichter der einarmigen Banditen im Kasino des Moskauer Hotels Korston, noch scharen sich die Leute um die Roulette-, Black-Jack- und Poker-Tische im «Casino de Paris» genannten Raum, der von Gebäudefragmenten umrahmt wird, die jedoch an St. Petersburg erinnern. Wenn es nach dem Willen der russischen Regierung geht, wird das bunte Treiben rund um das Glücksspiel in ganz Russland ab dem 1. Juli der Vergangenheit angehören. Laut einem Gesetz von Anfang 2007 sollen Kasinos und andere Glücksspieleinrichtungen in vier speziellen Zonen konzentriert werden, ausserhalb dieser Gebiete ist das Glücksspiel dann verboten. Vor kurzem hatte der russische Präsident Dmitri Medwedew im Gespräch mit dem Leiter der föderalen Steuerbehörde, Michail Mokrezow, ausdrücklich auf die Einhaltung des Termins gepocht, gegen den Branchenvertreter Sturm laufen. Es werde trotz den Lobby-Versuchen keine Revision des Gesetzes geben, sagte Medwedew. 27 russische Regionen haben bereits auf ihrem Gebiet das Glücksspiel eingeschränkt.

Zonen im Abseits

Mit dem Gesetz will der Kreml nach eigenen Angaben die Spielsucht der russischen Bevölkerung bekämpfen. Vor allem junge Leute und Rentner sollen davon abgehalten werden, ihr Geld beim Glücksspiel zu verlieren. Manche Beobachter vermuten auch, dass durch die Schliessung der Spielklubs der Kampf gegen kriminelle Banden und Korruption demonstriert sowie die Erhöhung der Steuereinnahmen angepeilt werden soll. Auf alle Fälle stellen sich, so wie es scheint, der Präsident, der Ministerpräsident Wladimir Putin und die staatstragende Partei Einiges Russland hinter das Gesetz. Lisandro Platzer, Betriebschef der Korston Group, stellt die Kriminalität der gesamten Branche in Abrede und berichtet, dass sein Unternehmen bei der Eröffnung des Kasinos in Moskau keine Probleme mit kriminellen Banden, wie es in den 1990er Jahren üblich war, gehabt habe. Dass das Geschäft seriöser geworden ist, zeigt auch die Ritzio International Group, die im vergangenen Jahr als erstes grosses Glücksspielunternehmen in Russland Finanzergebnisse offengelegt hat. Dabei wurde auch ersichtlich, dass mit einer Ebitda-Marge (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von rund 50% für die erste Hälfte des Jahres 2008 das Geschäft sehr profitabel ist.

Dass die Branche gegen das Gesetz lobbyiert, ist verständlich, denn in der derzeitigen Ausgestaltung würde es für einige Zeit das Aus für das Geschäft bedeuten. Der grösste Konstruktionsfehler liegt dabei in den vier Zonen, in denen Glücksspiel noch erlaubt sein wird. Alle vier Gebiete liegen am Rand des flächengrössten Staates der Welt: in Kaliningrad, im Altai-Gebiet, in der Region Primorje im Fernen Osten Russlands und am Asowschen Meer an der Grenze zwischen den Regionen Krasnodar und Rostow. Das grösste Problem ist aber, dass alle vier Zonen erst noch erschlossen werden müssen. Einzig in Asow-City sollen laut Angaben der Regionalverwaltung in Krasnodar bereits die Anschlüsse für Strom und Wasser parat stehen. Glücksspiel-Verbände sind der Überzeugung, dass das Ziel, am 1. Juli zu eröffnen, nicht erreicht wird. Platzer erwartet, dass in Asow-City erst in zwei bis drei Jahren mit einem Spielbetrieb zu rechnen ist. Insgesamt 15 Investoren haben sich gemäss der Verwaltung Landparzellen gesichert, bis zum 1. Juli 2011 müssten, den Verträgen entsprechend, die Objekte erstellt werden. In Krasnodar wird darauf hingewiesen, dass ein Investor, Royal Time aus Tatarstan, bereits mit dem Bauprojekt für ein Kasino begonnen habe. Von einem Spielbetrieb ab dem 1. Juli kann also noch nicht die Rede sein.

Der Korston-Manager stellt sich nicht prinzipiell gegen die Idee von speziellen Zonen, es gebe aber bessere Orte. Wie die Wahl der vier Gebiete erfolgt sei, wisse wohl niemand, sagt er achselzuckend. Für Platzer wäre eine Zone zwischen Moskau und St. Petersburg oder im Ferienort Sotschi am Schwarzen Meer attraktiver. Der Unternehmer- und Industriellenverband RSPP hatte vorgeschlagen, dass in Hotels und Ferieneinrichtungen Kasinos mit einer Mindestgrösse von 800 m 2 erlaubt sein sollen. Die Regierung ging auf den Vorschlag nicht ein. Die Idee der Sonderzonen wird zudem durch die Finanz- und Wirtschaftskrise beeinträchtigt. Korston habe bereits 3 Hektaren in Asow-City zugesprochen bekommen und eine Investition von rund 5 Mrd. Rbl. (170 Mio. Fr.) geplant. Wegen der Finanzkrise und der daraus folgenden Finanzierungsprobleme wurden die ehrgeizigen Pläne für insgesamt 10 Standorte in ganz Russland eingefroren. Das Kasinogeschäft ist im Korston seit dem Ausbruch der Krise um rund 20% zurückgegangen.

Die Korston Group besitzt eines der 32 Kasinos in Moskau und hat sich dem Betreiben von Hotel-, Einkaufs- und Unterhaltungskomplexen verschrieben. Neben dem Hotel in Moskau gehört noch ein Betrieb in Kasan zur Gruppe. Der Plan, die Spielautomaten und Spieltische von Moskau nach Asow-City zu bringen, fällt damit bis auf weiteres ins Wasser. Mit dem Gesetz muss zudem die Kalkulation für die anderen Projekte neu aufgestellt werden. Bei Hotelanlagen mit einem Kasino rechnet Korston mit einer Amortisationsdauer von sieben Jahren, ohne Spielbetrieb mit einer solchen von mehr als zehn Jahren.
Abdriften in die Illegalität

Die Glücksspielunternehmen richten sich unterschiedlich auf die Zeit des Verbots ein. Platzer will das heutige Kasino weiterhin für Unterhaltungszwecke wie Bars, Geschäfte und anderes nutzen. Genaueres wollte er nicht sagen. Eine andere Möglichkeit ist die Einrichtung eines Poker-Klubs, weil Poker seit neuestem als Sport anerkannt wird. Andere Spielklub-Betreiber wandeln kleine Geschäftslokale auch in Blumen- oder Lebensmittelgeschäfte um. Manche Kasinos drohen auch mit dem völligen Zusperren und mit Investitionen im Ausland.

Die Branchenverbände sprechen davon, dass durch das Gesetz das Glücksspiel erst recht in die Illegalität getrieben werde. Die Regierung will hart durchgreifen. Die Leitung eines illegalen Spielklubs wird ein Fall für das Strafgesetz sein. Für die Durchsetzung der Regeln sind die Regionen zuständig. Es bleibt fraglich, ob durch die Ausgestaltung des Gesetzes nicht vermehrt die Korruption gefördert wird. Auf alle Fälle wird das Geschäft für diejenigen, die es noch wagen, durch die behördliche Ausschaltung der Konkurrenz noch einträglicher, was auch bedeutet, dass hohe Schmiergelder gezahlt werden. Mokrezow, der Leiter der Steuerbehörde, erzählte Medwedew, dass die Anzahl der Spielklubs in den vergangenen vier Monaten bereits um 43% abgenommen habe. Branchenvertreter verweisen aber auf unzählige Etablissements, die immer noch existieren; auch in solchen Regionen, die alle Betriebe schliessen wollten. Eine weitere Schwierigkeit kommt auf die Gesetzeshüter bei der Durchsetzung des Verbotes von Online-Kasinos zu.

Unterschiedlicher Auffassung sind die Glücksspielunternehmen und die Behörden auch beim Ausmass des Rückgangs von Arbeitsplätzen. Die Branchenvertreter sprechen von rund 500 000 Personen, die ihren Job verlieren könnten. In Moskau allein seien 40 000 Stellen bedroht. Im Hotel Korston sind gut 1000 Personen im Kasino beschäftigt. Die Arbeitsplätze werden aber nicht alle verloren gehen, wie die Verbände annehmen. Die Behörden sprechen jedoch davon, dass derzeit nur 60 000 Leute in der Glücksspiel-Branche tätig seien, was doch als sehr gering erscheint. Ein ähnliches Spiel wird mit der Bedeutung der Branche für den Staatshaushalt getrieben. Manche Kasino-Vertreter hoffen immer noch, dass es eine Abänderung des Gesetzes geben wird. Die Regierung meint es offenbar ernst