Das größte Zockerparadies der Welt
Die Chinesen verspielen Milliardensummen. Im Jahr der Fußball-WM boomt das Wettgeschäft – vor allem im Untergrund.

Das Flutlicht strahlte in den Pekinger Nachthimmel, und 60 000 waren aus dem Häuschen. Die Fans im Stadion der Arbeiter schwenkten grasgrüne Fahnen, dann stürmten sie den Rasen. Dort drehte Hong Yuanshuo im Adidas-Shirt seine Ehrenrunde. Der Cheftrainer mit der hohen Stirn führte Guoan Peking Ende Oktober mit einem 4:0-Heimsieg zur Fußballmeisterschaft. Es war ein unwahrscheinlicher Sieg: Zum ersten Mal gewann der Hauptstadtclub die Super League, dank der besseren Tordifferenz – die ein honduranischer Legionär im letzten Spiel per Hattrick erzielte. Wahre Wunder

Im chinesischen Fußball passieren viele Wunder – doch kaum einer glaubt noch daran. Die Super League gilt als korrupt und von der mächtigen Wettmafia manipuliert. Auch die Spuren des größten Betrugsskandals im europäischen Fußball führen nach China. 32 Spiele in Deutschland stehen unter Verdacht, warnte im November die Staatsanwaltschaft Bochum – die Wetten wurden zum größten Teil in Asien platziert. Die Chinesen lieben das Glücksspiel und verzocken Milliarden. Als berechtigtes Streben nach Glück ist die Zockerei gesellschaftlich anerkannt. „Seit dem Ende des Kommunismus bedeutet Reichtum gleich Ruhm“, sagt Richard Li, Direktor des Anbieters Sino Strategic International, der 126 Wett- und Lottoläden in Shanghai betreibt. Dank der Fußball-Weltmeisterschaft und neuer Vertriebswege wie Wetten per Handy soll der Markt 2010 um 55 Prozent wachsen, schätzt die Bank BNP. „Knacken Sie den Jackpot“, überschreibt Analystin Skye Chen ihre Studie und rät Anlegern, chinesische Wett- und Lottoaktien zu kaufen.


Ein Wirtschaftsfaktor

Die Spielleidenschaft des Milliardenvolks wird zunehmend zum Wirtschaftsfaktor. Nach der Machtübernahme der Kommunisten 1949 war Glücksspiel verboten. 1987 öffnete im Zuge der Reformpolitik die erste staatliche Lotterie, deren Einnahmen wie in Deutschland wohltätige Zwecke unterstützen. Neben dem Zahlenlotto gibt es seit 1995 unter staatlicher Aufsicht Wetten auf Sportergebnisse. Die Erlöse der offiziellen Lotto- und Wettgesellschaft erreichten 2008 umgerechnet 15,6 Milliarden Dollar. In den ersten sieben Monaten 2009 verzockten die Chinesen laut Finanzministerium schon 10,8 Milliarden Dollar – ein Plus von 21 Prozent. Am schnellsten wächst das Geschäft mit Sportwetten, die zu 90 Prozent auf Fußball setzen. Chinas offizielles Lotto- und Wettvolumen, das sechstgrößte der Welt, könnte in einigen Jahren 100 Milliarden Dollar erreichen und die USA als weltgrößten Markt überholen, erwartet die Universität Peking.

Chinas Schwarzmarkt ist schon heute das größte Zockerparadies der Welt: Bei mafiösen Buchmachern, Straßengangstern und Internet-Diensten verjubeln die Chinesen zehnmal mehr als bei der Staatslotterie, schätzen Experten. Mindestens 100 Milliarden Dollar versickern pro Jahr in den illegalen Kanälen. „Internet-Wetten, Untergrund-Casinos und Privatlotterien erzielen enorme Umsätze und bereiten der Regierung riesige Kopfschmerzen“, warnte kürzlich die Zeitung „China Daily“. Über Mobiltelefone und SMS-Nachrichten tauschen Zocker Tipps aus, kleine Buchmacher sammeln die Einzelwetten von bis zu 10 000 Dollar in Straßenbars ein und geben sie an Zwischenhändler weiter, die sie auf Online-Portalen absetzen. „Dahinter stecken aber wiederum chinesische Anbieter“, sagt Sino-Strategic-Manager Li.

Quelle: focus.de