Nichts geht mehr in Las Vegas

Das City Center sollte der kriselnden Glücksspielstadt zu neuem Glanz verhelfen - und zu dringend nötigen Einnahmen. Doch drei Monate nach der Eröffnung zeichnet sich ab: Das milliardenschwere Projekt ist eine Niete.

Mitte Dezember war Jim Murren noch guter Dinge. "Wir glauben, dass Las Vegas heute ein besserer Ort ist", hatte er damals gesagt. Es waren große Worte, aber sie schienen dem Anlass angemessen: Schließlich wohnte der Chef des Glücksspielkonzerns MGM Mirage der Einweihung des City Centers bei, eines gigantischen Kasinokomplexes auf 1,5 Millionen Quadratmetern, mit 6300 Hotelzimmern und 2400 Eigentumswohnungen. Und nein, es störe ihn überhaupt nicht, die Tore in der größten Rezession seit Jahrzehnten zu öffnen. Das gebe dem Projekt vielmehr Zeit, die unausweichlichen Startschwierigkeiten zu überwinden.

Heute, knapp drei Monate später, sieht Murren das ein wenig anders: Den Zeitpunkt der Eröffnung nennt er "lausig" und spricht von einem Fehler, so viele Wohnungen gebaut zu haben. Es ist die Erkenntnis eines Mannes, dem ein 9 Mrd. $ schweres Projekt zu entgleiten droht.
Eigentlich sollte das City Center so etwas wie die letzte Hoffnung von Las Vegas sein. Die Wirtschaftskrise hat die Stadt schwer getroffen: Die Glücksspielerlöse schrumpften im vergangenen Jahr um zehn Prozent, die Zimmerpreise brachen gar um ein Viertel ein. Auch die Belegungsrate der Hotels sinkt kontinuierlich, ebenso wie die Immobilienpreise. Auf dem Strip herrscht Katerstimmung.
Das City Center kam da gerade recht. Geplant in besseren Zeiten, sollte es der Glitzerstadt in der Wüste ein neues, erwachseneres Gesicht geben: weniger Bling-Bling, weniger Neon und Kitsch, dafür gläserne Edelarchitektur von Stararchitekten wie Daniel Libeskind und Norman Foster. Kaufkräftige und vor allem ausländische Touristen sollte das City Center anziehen - bislang sind 85 Prozent aller Vegas-Besucher US-Amerikaner.

Es gibt nur ein Problem: Der Erfolg lässt auf sich warten. Bislang hat MGM-Chef Murren kaum mehr als die Hälfte der Apartments verkauft - bei Preisnachlässen von rund 30 Prozent. Das riesige Shoppingcenter steht zur Hälfte leer, den vier Spas und den Edelboutiquen fehlt es an Kunden. Restaurants und Spielhallen sind verwaist. Etliche Millionen ließ sich der Konzern die Verschönerung der Gebäude mit Kunstwerken kosten, genützt hat es nichts. Das Milliardenprojekt, das MGM zusammen mit der Investmentgesellschaft Dubai World auf die Beine stellte, hat die Umsätze der vergangenen zwei Jahre aufgezehrt, MGM sitzt auf 12 Mrd. $ Schulden, 1,7 Mrd. $ davon gehen allein auf das City Center zurück. Der Aktienkurs liegt bei 10,80 $ - 2007 notierte er noch bei knapp 100 $.
So niederschmetternd ist die Bilanz nach einem Vierteljahr, dass Immobilien-Tycoon Donald Trump das City Center bereits jetzt eine "absolute Katastrophe" nennt.
Jim Murren sieht das anders, er muss es anders sehen, doch auch er gab der britischen Zeitung "The Sunday Times" gegenüber zu: "Wir sind noch nicht über den Berg." Ende des Jahres aber soll es so weit sein. "Alles, was wir brauchen, um unsere Hotelzimmer zu füllen, ist ein Anstieg der Besucherzahlen von vier Prozent auf 36, 37 Millionen. Ich denke, tatsächlich werden es mehr als 38 Millionen sein." Immerhin: Eines der vier Hotels des City Centers verdiene bereits Geld, und wenn die Nachfrage auch nur geringfügig wachse, dann wäre MGM mit dem modernsten Kasinobetrieb von Las Vegas der Gewinner der nächsten zehn Jahre.
Wenn, dann. Es ist die Hoffnung, die aus Murren spricht. Angesichts leerer Hotels und Spieltische könnte man sie verzweifelt nennen. Eine gefährlichere Gemütsverfassung hätte er sich für Las Vegas nicht aussuchen können.

Quelle: ftd.de