Bayerns Spielbanken kommen die Besucher abhanden. Schuld sind das Rauchverbot und die zunehmende Konkurrenz privater Spielhallen
Von Rudolf Stumberger


Die Kugel rollt . Schnell drehen sich die sogenannten Kessel der insgesamt neun Roulettetische im "Großen Spiel" des Casinos Bad Wiessee. Durch die Panoramascheiben reicht der Blick über den See bis hinüber zu den jetzt schon schneebedeckten Bergen. Die Spieler im Saal schenken dem Panorama keine Aufmerksamkeit. Ihre Blicke richten sich einzig auf das Spiel.

Wenn es gut läuft, winkt ihnen ein Mehrfaches ihres Einsatzes. Wenn nicht, kassiert die Spielbank und damit ihr Besitzer, der bayerische Staat. Für den läuft es in letzter Zeit allerdings immer schlechter. Nicht weil die Spieler öfter gewinnen, nein, es kommen immer weniger Besucher in die neun bayerischen Casinos. Das Wort von der Spielbankenkrise geht um.

Erst 2005 hat das Spielcasino in Bad Wiessee die Pforten seines Neubaus eröffnet. Das angrenzende Parkhaus bietet 500 kostenlose Stellplätze, 50 Cent kostet der Eintritt zur Halle mit den Spielautomaten, 2,50 Euro zum Saal mit den Roulette- und Black-Jack-Spielen. Ab 15 Uhr ist das Casino unter der Woche geöffnet. An diesem Mittwoch gegen 16 Uhr bevölkern ein paar Dutzend Spieler den großen Saal. Daneben warten in der "Winner's Lounge" bereits die gedeckten Tische auf die Gewinner und andere Gäste: Auf der "Eventfläche" präsentieren abends schon mal Sissi Perlinger oder Max Greger jun. ihre musikalischen Künste.

An die 350 Gäste zählt Casino-Direktorin Antje Schura pro Tag unter der Woche in ihrem Spielcasino, am Wochenende um die 400. "Die meisten kommen aus München", sagt die Beamtin, die zuvor im bayerischen Finanzministerium tätig war. Aber es sind eben immer weniger, was sich am Umsatz ablesen lässt. Von 32,9 Millionen Euro im Jahr 2006 sank der Bruttospielertrag in Bad Wiessee im vergangenen Jahr auf 22,1 Millionen Euro. Und so ging es im Freistaat auch den anderen acht staatlichen Spielbanken von Bad Kissingen über Bad Füssing, Bad Kötzting, Bad Reichenhall, Bad Steben, Lindau und Feuchtwangen bis Garmisch-Partenkirchen. 2005 verzeichneten alle Casinos noch einen Ertrag von 124,5 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 76,1 Millionen. Heuer werden es nach Schätzungen wohl nur noch 66,4 Millionen sein.

Nichts geht mehr? Wer genauer verstehen will, was sich hinter diesem Niedergang verbirgt, muss ein wenig eintauchen in die glitzernde Welt der rollenden Kugeln und blinkenden Automaten.
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Antje Schura ist Direktorin der größten Spielbank in Bayern, gemessen an ihrem Bruttospielertrag. Dafür sorgen in Bad Wiessee 143 Mitarbeiter, darunter 110 sogenannte Spieltechniker. Das sind die Croupiers, sie lassen die Kugel rollen und geben Karten aus. Bis zu fünf Croupiers sind an einem Tisch beschäftigt und passen auf, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Einer von ihnen ist Alexander Gerweck. Der 36-Jährige stammt aus dem nahen Rosenheim und arbeitet seit zehn Jahren hier in der Spielbank. Rund eine Stunde verbringt er an einem Spieltisch, dann gibt es Wechsel und Pausen. "Das anstrengendste ist", sagt Gerweck, "sich bei jedem Gast zu merken, was und wie er gesetzt hat." Immerhin lassen sich mit einem Einsatz maximal 100 000 Euro gewinnen.

Dass der Freistaat Bayern auf diese Weise Geld einnimmt, hat mit dem Staatsvertrag der Länder über das Lottomonopol zu tun. So gehören die weiß-blauen Spielbanken zur Staatlichen Lotterieverwaltung, die wiederum dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen unterstellt ist. Begründet wird das Glücksspielmonopol mit dem Anspruch und Auftrag, durch die staatliche Aufsicht die Spielsucht zu bekämpfen. Wer in Bad Wiessee sein Glück versuchen will, muss ebenso wie in den anderen Casinos seinen Ausweis vorzeigen. Geprüft wird dann, ob gegen den Eintrittswilligen eine Sperre vorliegt. Und die Croupiers sind angehalten, bei Verhalten, das auf Spielsucht schließen lässt, einzugreifen. Flyer, die in der Spielbank ausliegen, thematisieren das Risiko des Spielens.

Wer aber nach Gründen fragt, warum die Einnahmen in den bayerischen Casinos immer spärlicher fließen, muss nur einen Blick auf die offene Veranda vor dem "Großen Spiel" in Bad Wiessee werfen. Dort stehen die Raucher. Auch das staatliche Rauchverbot in Bayern ist es, das den staatlichen Spielbanken die Einnahmen schmälert. "Das Rauchen", sagt Direktorin Schura, "ist ein Thema."

So ging 2008, in dem Jahr, in dem das ursprünglich strenge Rauchverbot eingeführt wurde, der Bruttospielertrag um 28 Prozent zurück. Dann kam im August 2009 die Lockerung des Verbots, viele Gaststätten erklärten sich zu Raucherklubs. In Bad Wiessee wurde im sogenannten Automatenspiel das Rauchen wieder erlaubt.

Das Automatenspiel liegt im Erdgeschoss und beherbergt all die blinkenden und klingelnden Spielautomaten, an denen man für 30 Cent auf das große Glück setzen kann. 173 000 Euro liegen zum Beispiel derzeit im Bayern-Jackpot, den man an vier vernetzten Automaten gewinnen kann. Seit dem Volksentscheid und dem nun absoluten Rauchverbot seit 1. August 2010 sind Zigaretten auch hier tabu. "Viele rauchende Gäste", sagt Direktorin Schura, "weichen aus nach Österreich oder Böhmen." Dort darf noch geraucht werden, findige Unternehmer bieten sogar Busfahrten von München aus dorthin an.

Viele Spieler weichen aber offenbar auch auf die wie Pilze aus dem Boden schießenden Spielhallen aus. Denn "ganz wesentlich ist der Rückgang des Bruttospielertrages durch die Konkurrenz der Spielhallen bedingt", fügt Direktorin Schura hinzu. Dort werde das Rauchverbot eher lax gehandhabt. Seit 2006 die Konzessionsvergabe für Spielhallen durch Bundesrecht gelockert wurde, hat sich deren Zahl in Bayern drastisch erhöht. Von 9400 im Jahr 2005 auf 15 250 im vergangenen Jahr - Tendenz weiter steigend.

Ihr Betrieb scheint ein lukratives Geschäft zu sein, denn in Bayerns Städten und Gemeinden häufen sich Anträge auf Konzessionen. Vergangenen Mittwoch erst hat das Innenministerium auf Drängen der Abgeordneten im Bayerischen Landtag einen Bericht über gewerbliche Spielhallen vorgelegt. Danach wurden "in den letzten Jahren" allein in München 166 Bauanträge für Spielhallen gestellt, wovon ein Drittel genehmigt wurde. Aus staatlicher Sicht sind sie - anders als die Casinos - Orte ungebremster Spielsucht und von anwohnenden Bürgern nicht gern gesehen.

So steht nun in der Diskussion, die Spielhallen in Bayern künftig zu besteuern, was bisher, anders als in anderen Bundesländern, in Bayern nicht gemacht wird. Nordrhein-Westfalen etwa brachte die auf Spielautomaten erhobene Vergnügungssteuer 2009 immerhin 103,7 Millionen Euro ein. Sie ist eine der einträglichsten Bagatellsteuern.

Um die Ansiedlung von Spielhallen besser steuern zu können, setzt mittlerweile auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wie die Opposition auf eine Spielhallensteuer. Einzig Herrmanns Koalitionspartner, die FDP, lehnt diese jedoch ab.

Zunächst aber soll am 10. November im bayerischen Innenministerium eine Anhörung zum Glücksspielrecht stattfinden. Und ebenfalls im November wird über den Staatsvertrag zwischen den Ländern hinsichtlich der Zukunft des Glücksspielmonopols neu verhandelt. Dann stehen sich die Befürworter und Gegner der staatlichen Federführung beim Glücksspiel gegenüber. Ausgang ungewiss.