Problematische Präventivaufzeichungen von Glücksspielern - auch Personen, die keinesfalls spielsüchtig sind, werden überwacht - Kontrollen können leicht umgangen werden - fehlerhafte Bonitätsdaten sollen zur Spielerüberwachung dienen - Ziel ist Kontrolle des Freizeitverhaltens von Bürgern - Neue Liste als Scheinaktivität der Behörden
Die "Glücksspielgesetz-Novelle 2008" befindet sich derzeit in Begutachtung. Aus menschenrechtlicher Sicht bedeutsam ist die geplante Bestimmung des §5 Glücksspielgesetz, die weitreichende Kontroll-Verpflichtungen für Betreiber von "Automatensalons" enthält.
Umfassende Präventivaufzeichnungen geplant
Gemäß § 5 Abs 2 des Gesetzesentwurfs hat der Konzessionär ein Zutrittssystem einzurichten, das sicherstellt, dass nur volljährige Personen Zutritt zu den Automatensalons erhalten. Bei Verzicht auf eine Besucheridentifizierung bei jedem Zutritt ist eine Zutrittskarte durch den Konzessionär für den Spielteilnehmer auszustellen und sind auf dieser Name des Konzessionärs, (Erst-)Ausstellungsdatum sowie Name, Geburtsdatum und Lichtbild des Spielteilnehmers anzubringen; der Konzessionär hat über die Besuche Aufzeichnungen zu führen. Der Betreiber von Automatensalons ist somit zur Führung von Dateien verpflichtet, in welchen die personenbezogenen Daten von Kunden und deren Salonbesuche verarbeitet werden.
Zusätzlich ist die Einführung eines Warnsystems vorgeschrieben das abgestufte Spielerschutzmaßnahmen verpflichtend vorschreibt. Es geht von der Spielerinformation bis - abhängig von der Besucherfrequenz - zur Sperre. Spieler, die eine auffällige Besuchshäufigkeit aufweisen, sollen vom Konzessionär zu Beratungsgesprächen gebeten werden. Das Warnsystem ist vom BMF zu bewilligen.
Im Falle des Versagens des Spielerschutzes soll der Kunde gegen den Konzessionär einen Klagsanspruch gemäß § 25 Abs 3 Glücksspielgesetz haben. § 25 GlSPG verpflichtet die Betreiber von Spielbanken bereits jetzt dazu, entsprechende personenbezogene Aufzeichnungen zu führen und diese über fünf Jahre hinweg aufzubewahren.
Begründet werden die Verpflichtungen durch den Gesetzgeber mit der gesellschaftlichen Verantwortung der im Glücksspielbereich tätigen Konzessionäre hinsichtlich der Spielsuchtproblematik. Im Jahr 1991 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das pathologische Spielen in ihre "Internationale Klassifikation Psychischer Störungen" (ICD-10) aufgenommen.
Der Zweck der Datenverarbeitung dient grob gesprochen gesundheitlichen Schutzzwecken, somit stellt die Ermittlung der entsprechenden Besuchsdaten eine Verarbeitung sensibler Daten dar. Sensible Daten unterliegen besonderen Verarbeitungsbeschränkungen. Damit stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit gemäß § 9 DSG 2000 sowie Art. 8 der EU-Datenschutz-RL.
Die Verarbeitung kann nur auf eine ausdrückliche Zustimmung des jeweiligen Kunden gestützt werden, da der Zweck dem Schutz des Betroffenen selbst und nicht einem "wichtigen öffentlichen Interesse" im Sinne des § 9 Z 3 DSG 2000 dient.
Das Argument, dass Bekämpfung der Spielsuchtproblematik auch ein "öffentliches Interesse" ist, kann insoferne nicht geteilt werden, als die präventive Bekämpfung von Krankheiten zwar grundsätzlich auch ein gesellschaftliches Anliegen sein mag, mit einer derartigen Argumentation aber einer beliebigen Verarbeitung von gesundheitsbezogenen Daten "im öffentlichen Interesse" Tür und Tor geöffnet wäre.
Die Verarbeitung scheint daher nur zulässig, wenn tatsächlich eine ausdrückliche Zustimmung des Kunden zu seiner eigenen Überwachung vorgeschrieben wird, wofür sich im Gesetz keine Anhaltspunkte finden.
Unverhältnismäßige Eingriffe in Privatsphäre
Die Verhältnismäßigkeit der verpflichtenden Maßnahmen im Sinne des § 6 DSG 2000 scheint in wesentlichen Punkten nicht gegeben.
-) Fragwürdig ist, ob der angestrebte Zweck mit den Maßnahmen überhaupt erreicht werden kann, da ja keine Aufzeichnung der eingesetzten Geldbeträge, sondern lediglich der Besuchsintensität vorgesehen ist. Somit könnten theoretisch auch Personen zu Unrecht in das "Warnsystem" hineingeraten, die die sich zwar regelmäßig in den "Salons" aufhalten aber nur geringfügige Beträge setzen und in erster Linie als Zuschauer ("Kiebitze") agieren.
-) Weiters ist fraglich, ob das Ziel "Bekämpfung der Spielsucht" eine fünfjährige detaillierte Aufzeichnung sämtlicher Kundendaten rechtfertigt. Die Dauer ist zu lang. Es würde nach Verstreichen einer Frist von sechs Monaten jedenfallls ausreichen bloß die jährliche Zahl der Besuche, nicht aber jeden einzelnen Besuch zu registrieren.
-) Kritisch zu betrachten ist die in § 25 GlücksspielG normierte Verpflichtung, für den Fall der begründeten Annahme, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel das Existenzminimum gefährden, Auskünfte aus Bonitätsdateien einzuholen. Hiezu ist zu bedenken, dass die "Spielsuchtproblematik" nicht unbedingt Personen betrifft, die wirtschaftliche Probleme haben. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass die sogenannten Bonitätsdaten der Wirtschaftsauskunftsdienste äußerst lückenhaft, fehlerhaft und in der Mehrzahl rechtswidrig beschafft sind. Es ist somit reiner Zufall, ob zu einer Personen richtige Bonitätsinformationen beauskunftet werden. Gesetzliche Bestimmungen, die auf privatwirtschaftlich ermittelten und zufälligen Daten beruhen, widersprechen dem Gleichheitsgrundsatz und sind daher unzulässig.
-) Durch die Vielzahl von Betreibern von Automatensalons können die einzelnen Warnsysteme durch regelmäßigen Betreiberwechsel von Spielsüchtigen leicht umgangen werden. Damit das vorgeschlagene System überhaupt theoretisch funktioniert wäre eine zentrale, für alle Betreiber verpflichtend zu verwendende Kontrolldatenbank notwendig. Letztlich wäre diese Spielerdatenbank EU-weit erforderlich, da mit Installation einer nationalen Überwachung Spieler in Nachbarländer ausweichen werden. Ähnlich anderen Freizeitaktivitäten, wie Opern-, Theater- oder Bordellbesuch würden ansonsten geeignete Bus- und Ausflugsfahrten organisiert und angeboten werden.
Neue - wirkungslose - Präventivüberwachung
Die ARGE DATEN verkennt nicht die Relevanz der "Spielsuchtproblematik". Der vorliegende Entwurf ist jedoch ungeeignet Spielsucht wirkungsvoll zu bekämpfen.
Er ist zum einen unpräzise, es wird das Freizeitverhalten aller Spieler detalliert überwacht, auch von jenen, die nicht spielsüchtig sind.
Der Entwurf ist weiters inkonsequent. Spielsüchtige Personen, die in erster Linie ihrer Sucht nachgehen wollen und nicht einem bestimmten Betreiber hörig sind, werden durch Wechsel der Angebote die lokalen Warnlisten umgehen können. Wäre der Gesetzgeber überzeugt, dass Warnlisten tatsächlich wirksam sind, müsste er nationale oder internationale Warnsysteme schaffen.
Davon abgesehen wird wohl rasch ein "grauer" Markt mit geborgten und verkauften Zutrittskarten entstehen.
Obgleich "Spielsuchtproblematik" durchaus von Relevanz sein mag, ist nicht einsichtig, weshalb ihr eine höhere Bedeutung zukommt als andere mindestens ebenso weit verbreiteten Suchtphänomene (Alkoholismus, Kettenrauchen, Konsumsucht, etc..). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Glücksspielanbieter ein kompliziertes Warnsystem mit weitreichender Datenaufzeichnung erhalten müssen, Gastwirte aber beispielsweise selbst an ortsbekannte Alkoholiker Spiritousen ausschenken dürfen.
Tatsächlich handelt es sich bei diesem Präventivsystem um ein weiteres bürokratisches Registermonster, mit dem Ziel Betreiber administrativ zu belasten und unbescholtene Bürger vom fallweisen Besuch der Automatensalons abzuschrecken, sie werden ja registriert und diese Information könnte bei Behörden, Versicherungen oder Arbeitgebern auftauchen. Und die staatlichen Behörden entziehen sich der Verantwortung wirksame Maßnahmen gegen Sucht zu setzen.
Eine neue Liste, die Scheinaktivität signalisiert und die öffentliche Meinung beruhigen soll.
Suchtphänomene sind eine gesellschaftliche Problematik, welcher der Gesetzgeber mit prangerhaften Dateien nicht beikommen wird. Letztendlich ist es eine Wertentscheidung des Gesetzgebers, welche Form von Leistungsangeboten er gestattet. Lässt er bestimmte suchtgefährdende Verhaltensweisen zu, dann ist es seine Aufgabe, die Bürger in einem verantwortlichen Umgang zu unterstützen. Dies kann durch Bildungsarbeit, Schulung und Beratung erfolgen, durch Einrichtung von Therapiezentren oder auch durch Bereitstellung von alternativen Angeboten. Die Maßnahmen müssten nicht einmal Zusatzkosten verursachen, sondern könnten durch zweckgewidmete Abgaben durch die verschiedenen Sucht-Dienstleister finanziert werden.
Eine "Gesellschaft der Warnlisten" für "Spielsüchtige", "Alkoholiker" oder "Kaufsüchtige", in der Menschen zuerst ein unerwünschtes Verhalten angeboten wird, diese zu exzessiven Konsum verleitet werden und anschließend in prangerartige Listen gestellt werden, entspricht nicht einer auf Grundrechte, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit aufbauenden Solidargemeinschaft.
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Quelle: Office Automatenverband
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