Experte zerpflückt bwin-Studie: Internet-Zocken zehnmal gefährlicher
Wien (APA) - Ist Zocken im Internet gefährlicher als klassisches Glücksspiel im Casino? Über diese Frage zerbrechen sich Suchtexperten schon lange den Kopf - und kommen zu höchst unterschiedlichen Erkenntnissen. Glaubt man der renommierten Harvard Medical School, die seit Jahren in Kooperation mit dem Wiener Online-Sportwettenanbieter bwin zu dem Thema forscht, ist Online-Gaming keinesfalls problematischer als Offline-Spielen. Dem widerspricht der - nicht minder renommierte - britische Spielsuchtexperte Mark Griffiths: Die Schlüsse, die die Harvard-Forscher rund um Professor Howard J. Shaffer gezogen haben, seien unzulässig. Für suchtgefährdete Personen sei Zocken im Netz zehnmal gefährlicher als herkömmliches Glücksspiel.
Griffiths, Professor für Gambling Studies an der Nottingham Trent University, hat im Rahmen der „Responsible Gaming Academy“ der Casinos Austria und Lotterien in Wien die bwin-Studien regelrecht zerrissen. Die Harvard-Experten hätten lediglich Personen untersucht, die sich während eines Monats bei bwin registriert hätten. Aus der Sicht von Griffiths sind die Harvard-Ergebnisse daher alles andere als aussagekräftig.
2009 etwa hatte Shaffer Internet-Pokerspielern ein „rationales“ bzw. „gemäßigtes“ Wettverhalten attestiert, Untersuchungsbasis damals war ein Sample von 3.445 Online-Pokerspielern. „Der Mythos, dass Online-Gaming eine starke Verführungskraft besitzt, wurde empirisch widerlegt“, hatte es damals in einer Aussendung von bwin geheißen. bwin hat sich zwischenzeitlich mit der britischen PartyGaming zu bwin.party fusioniert, die Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School ist nach wie vor aufrecht.
Laut Griffiths kann die Frage, wie schnell man von virtuellem Gambling abhängig wird, nicht so einfach beantworten - schon gar nicht, wenn man keine Vergleiche zu Slot Machines oder Casinospielen zieht und lediglich das Userverhalten auf einer Plattform auswertet (behavioural tracking), wie dies die Harvard-Gruppe getan habe. „Diese Daten sagen zum Beispiel nichts darüber aus, warum Menschen spielen“, so der britische Psychologe. Auch Größe und Anzahl der Wetteinsätze sagten nur wenig über die Suchtgefahr aus, denn hier gebe es zwischen den einzelnen Spieltypen (Sportwetten, Poker etc.) große Unterschiede.
Sicher ist, so Griffiths, dass Online-Gambler eher spielsüchtig werden als Leute, die dem Glücksspiel nur offline frönen. Jeder 20. Internet-Zocker ist nach seinen Berechnungen ein Problemspieler, beim Spielen im Real Life sei die Häufigkeit zehnmal geringer (0,5 statt 5 Prozent). „Wenn jemand prinzipiell spielsuchtgefährdet ist, ist Online-Gambling gefährlicher“, resümiert Griffiths.
Die wenigsten Glücksspieler seien nur online aktiv, meist suchten sie parallel klassische Spielstätten auf. Das Internet, so der britische Professor, erleichtere jedoch den Zugang zu Poker, Roulette und Co. massiv. „Früher konnte man nicht mehr spielen, wenn das Casinos zusperrte, im Netz kann man 24 Stunden am Tag bequem von zu Hause aus gambeln.“ Wobei Griffiths das Internet als Glücksspiel-Medium betrachtet wissen will. „Es wird einfach das bequemste Tool gewählt.“
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