Glücksspiel: Die Bundesländer kämpften hart für das staatliche Monopol. Jetzt sind sie die großen Verlierer
Hoher Einsatz, maximaler Schaden
Berlin - Christian Kipper ist normalerweise ein ruhiger, besonnener Mann. Aber wenn er in diesen Tagen über seine Geschäfte spricht, bekommt seine Stimme einen wütenden Unterton. Seit Jahren schon ist der Mann mit dem silbergrauen Schopf oberster Chef der ARD-Fernsehlotterie "Ein Platz an der Sonne". Fast die Hälfte der Umsatzerlöse fließt in karitative Projekte. Mehr als 1,3 Mrd. Euro hat Deutschlands älteste Lotterie seit ihrer Gründung vor 53 Jahren schon für Frauenhäuser, Hospize und ähnliche Einrichtungen aufgebracht. Doch seit einigen Monaten läuft das Geschäft nicht mehr wirklich rund: Immer weniger Lose würden verkauft, klagt Kipper. Das Geld, das er an soziale Projekte verteile, könnten deshalb mittelfristig um bis zu 30 Prozent sinken.
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www.saxobank.ch Was Kipper die Laune verdirbt, ist der sogenannte Glücksspielstaatsvertrag, der seit Anfang 2008 das staatliche Monopol auf Glücksspiele sichert. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Monopol 2006 für grundsätzlich zulässig erklärt - allerdings nur unter der Bedingung, dass die staatlichen Anbieter die Spielsucht der Bürger effektiv bekämpfen würden. Schon lange ist das Vertragswerk heftig umstritten, vor allem bei privaten Glücksspielanbietern, denen der Vertrag quasi von einem Tag auf den anderen die Geschäftsgrundlage entzog.
Inzwischen werden nun aber auch bei vielen staatlichen Glücksspielanbietern, die doch eigentlich von dem Monopol profitieren sollten, die Klagen lauter. Grund für ihren Unmut sind vor allem die strengen Werbe- und Vermarktungsauflagen, die der Gesetzgeber verhängt hat, um den Kampf gegen die Spielsucht auszuweiten. "Die Auflagen machen es uns sehr schwer, die Öffentlichkeit zu erreichen", klagt ARD-Fernsehlotteriechef Kipper. Hauptleidtragender sei der gute Zweck. Denn je weniger Lose verkauft würden, desto mehr Fördermittel gingen den karitativen Projekten verloren.
Was Kipper berichtet, betrifft offenbar weite Teile der Branche. Folgt man den Angaben des Deutschen Lottoverbands, sieht die Bilanz nach 20 Monaten Glücksspielstaatsvertrag mehr als düster aus. Neuesten Berechnungen zufolge, die der WELT vorliegen, verzeichnete der Glücksspielmarkt zuletzt dramatische Umsatzeinbrüche. Um 30 Prozent seien die Umsätze im Vergleich zu 2005 zurückgegangen, heißt es in der Bilanz des Lottoverbands. Entsprechend rückläufig seien auch Steuern und Zweckerträge, die die Glücksspielanbieter an die Länder abgeben müssen. Im Jahr 2005 hatten die Bundesländer noch fast fünf Mrd. Euro aus dem Glücksspielsektor abschöpfen können; im laufenden Jahr werden es Schätzungen zufolge nur noch höchstens 3,5 Mrd. Euro sein. Selbst wenn sich die Umsätze stabilisieren sollten, verlieren die Länder bis 2011 mehr als sechs Mrd. Euro.
"Die Länder schaden sich mit den unverhältnismäßigen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages selbst", bringt der FDP-Bundestagsabgeordnete Detlef Parr den Missstand auf den Punkt. Die Umsatzrückgänge im Glücksspielmarkt führten am Ende dazu, dass auch die Länder weniger Mittel für öffentliche Belange wie Kultur- oder Sportprojekte zur Verfügung hätten. Dabei gehören die Länder traditionell zu den größten Profiteuren des Glücksspiels: Bis zu 40 Prozent der Lotterie-Einnahmen fließen in Form von Steuern oder Zweckabgaben in ihre Kassen. Bei den Spielbanken schwanken die Abgaben je nach Bundesland sogar zwischen 40 und 80 Prozent. Kein Wunder also, dass inzwischen auch in immer größeren Zirkeln der Politik die Kritik an dem neuen Glücksspielstaatsgesetz lauter wird.
Doch die politischen Mühlen mahlen langsam. Zurzeit ist auch noch Wahlkampf - und so hoffen die Kritiker des Vertragswerks in diesen Tagen verstärkt darauf, dass rettende Hilfe am Ende aus Brüssel kommen könnte. Schon kurz nach Inkrafttreten des Vertrags Anfang 2008 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil sie die neue Glücksspielverordnung für unvereinbar mit dem EU-Recht hält. Seither ist es in dieser Sache allerdings still geworden.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das für morgen erwartet wird, könnte nun zumindest etwas Licht ins Dunkel bringen. In dem Verfahren geht es um Portugal. Doch die Bekämpfer der hiesigen Glücksspielverordnung hoffen, dass ein eindeutiges Urteil der Luxembuger Richter zum Präzedenzfall auch für Deutschland werden könnte. Im aktuellen Fall, um den es bei dem Prozess geht, hatten die portugiesischen Behörden gegen den privaten Sportwettenanbieter Bwin und die portugiesische Fußballliga hohe Geldbußen verhängt, weil diese Internetwetten angeboten und dafür geworben hatten. In Portugal besteht ein gesetzliches Monopol auf Internetwetten. Nun soll der EuGH klären, ob das Monopol mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Falls das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass die portugiesische Handhabe nicht EU-konform ist, könnten hiesige private Anbieter von Internetlotto und Internetsportwetten darauf hoffen, dass das Luxemburger Gericht später auch zu ihren Gunsten entscheiden wird.
Wünschenswert wäre ein Überdenken der gegenwärtigen Situation in jedem Fall. Denn nach Expertenmeinung hat das staatliche Monopol eine weitere gesamtgesellschaftlich traurige Konsequenz: Einbrechende Glücksspieleinnahmen und damit verbundene Steuerausfälle, die für Bund und Länder schmerzhaft sind, seien nur die eine Folge, sagt Friedrich Schneider, Professor an der Johannes Kepler Universität in Linz. Vor allem aber koste das staatliche Glücksspielmonopol viele Arbeitsplätze und fördere damit einen massiven Anstieg der Schattenwirtschaft. Ein Beleg: Erst vergangene Woche hatte die Norddeutsche Klassenlotterie (NKL) bekannt gegeben, dass sie ein Fünftel ihrer Stellen streichen musste, um das Umsatzminus der vergangenen Jahre abfedern zu können.
Quelle: welt.de
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