Glücksspielszene: wie die Stadt ausgetrickst wurde
Ein Präventivschlag sollte es sein – keine Rede davon, ein Schlag ins Wasser war es.
Die Stadt, die gegen illegales Glücksspiel vorgehen wollte, fuhr voll ein: Die beschlagnahmten Geldspielautomaten mussten wieder zurückgegeben werden. Jetzt gibt es auch noch eine umfassende Amtshaftungsklage.
Satte Anwaltskosten, monatelanger Gewinnentgang der Spielautomatenaufsteller, Schadenersatz für die beschädigten und ausgeraubten Apparate, die nach Beschlagnahme im städtischen Wirtschaftshof eingelagert wurden, und die dort vor einigen Wochen aufgebrochen wurden – die ganze Palette enthält die Amtshaftungsklage. „Auch das werden wir noch gewinnen“, sagt der Anwalt, der die Klage demnächst beim Landesgericht gegen das Land als Rechtsträger einbringen wird. Der Anwalt hatte schon dafür gesorgt, dass sich die Glücksspielszene in Salzburg ins Fäustchen lachen kann. Der bisher größte Schlag gegen die Glücksspielszene – Anfang vergangenen Jahres wurden bei drei Razzien in der Stadt 87 Geldspielautomaten beschlagnahmt – war ein Schlag ins Wasser. Eine nicht mehr zeitgemäße, komplizierte, und wie man sich nun eingesteht, nicht vollziehbare Salzburger Gesetzesregelung war der Grund dafür, dass die Stadt mit ihrem „entschlossenen Vorgehen gegen die Glückspielszene“, wie es hieß, voll eingefahren ist.
Bisher größter Schlag gegen die Glücksspiel-Szene ging voll daneben
Eine Panne nach der anderen – Anwälte der Geldspielautomaten-Aufsteller hatten leichtes Spiel. Razzien, Beschlagnahme von 87 Geldspielautomaten, Strafverfahren von seiten des Magistrats – „ein enormer Aufwand, der nichts brachte“, wird das Vorgehen der Behörden nun heftig kritisiert. "Hätte man statt dessen in den Spielerschutz investiert, wäre wenigstens etwas erreicht worden."
Anwalt Friedrich Wennig, „Papst“ der Glücksspiel-Szene: „Fast alle Prozesse gewonnen, die Amtshaftungsklage gewinne ich auch noch.“ Foto: privat
Anwalt Friedrich Wennig, „Papst“ der Glücksspiel-Szene: „Fast alle Prozesse gewonnen, die Amtshaftungsklage gewinne ich auch noch.“ Foto: privat
Nur die Anwaltskosten dürften „sicher einige zehntausend Euro“ ausmachen, verdeutlicht der Anwalt, der die Amtshaftungsklage ausgearbeitet hat, um welche Summen es geht: „Man muss ja bedenken, es waren zig Verfahren anhängig, für jedes einzelne Gerät.“
Dazu kommt ein beträchtlicher Gewinnentgang: Geht man davon aus, dass ein Apparat bis zu 500 Euro pro Monat einspielt, ergibt sich daraus ein jährlicher Geschäftsentgang von rund 5000 Euro pro Gerät. Bei sehr guten Stellplätzen ist nach Angaben seiner Mandanten sogar von einem monatlichen Einspielergebnis bis zu 1500 Euro auszugehen. (Bis die beschlagnahmten Geldspielapparate den Eigentümern zurückgegeben werden konnten, dauerte es monatelang, teilweise sogar über ein Jahr.)
Und für den Schaden durch den Einbruch vor einigen Wochen könnten auch noch das Land (als Rechtsträger) beziehungsweise die Steuerzahler aufkommen müssen. Von einer sicheren Verwahrung kann beim städtischen Wirtschaftshof in der Siezenheimerstraße nämlich wohl eher nicht die Rede sein. Die beschlagnahmten Geräte waren unter dem anscheinend offenen Dach gelagert. Der Wirtschaftshof ist tagsüber frei zugänglich und bei Nacht kann man durch Überklettern einer kleinen Mauer ins Dachgeschoß eindringen. Wie berichtet, war bei 25 der noch im städtischen Wirtschaftshof lagernden Spielautomaten die Geldlade aufgebohrt worden – bei fünf weiteren blieb es beim Versuch. (Siehe Fensterputzer in der vorigen Ausgabe.)
Ein großer Fehler der Behörden in Salzburg sei es gewesen, sich auf das Salzburger Veranstaltungsgesetz zu versteifen, sagt Friedrich Wennig. Der Wiener Anwalt, der in der Glücksspiel-Szene als „Papst“ gilt, hatte bereits jahrelang Spielautomaten-Betreiber in Oberösterreich vertreten, auch in Niederösterreich und im Burgenland, wo ein ähnliches Gesetzes-Wirrwarr in Sachen Glücksspiel herrscht wie in Salzburg. Dabei sei er fair vorgegangen: Bei sämtlichen Eingaben habe er „extra darauf hingewiesen“, dass aus fast allen Entscheidungen, die ihm bis hin zum Höchstgericht vorlägen, hervorgehe, „dass zuerst festgestellt werden muss, um wie viel auf den Automaten jeweils gespielt werden kann“.
Eine Panne nach der anderen
Polizei-Einsatzleiter Hermann Winkler: Extra beigezogener Sachverständiger „schaute sich nur ein Gerät an, und das nur oberflächlich“. Foto: privat
Polizei-Einsatzleiter Hermann Winkler: Extra beigezogener Sachverständiger „schaute sich nur ein Gerät an, und das nur oberflächlich“. Foto: privat
So aber hatten die Spielautomaten-Betreiber und deren Anwälte leichtes Spiel: Die Betreiber, die gegen die Beschlagnahme- und Strafbescheide beriefen, machten geltend, dass an den konfiszierten Apparaten auch Einsätze um mehr als 50 Cent möglich wären. Womit allfällige Verfahren nicht unter das Salzburger Veranstaltungsgesetz fallen – und da hakten die Anwälte der Spielautomaten-Aufsteller ein (siehe „die Tücken der Salzburger Regelung“). Damit kamen sie beim UVS (Unabhängiger Verwaltungssenat) schlussendlich durch: Nach den Berufungsverfahren, die sich monatelang in die Länge zogen, mussten die konfiszierten Geldspielautomaten den Betreibern zurückgegeben
werden.
Dem Sachverständigen entging Entscheidendes
Die größte Panne war wohl, dass der bei den Razzien beigezogene Sachverständige ausgerechnet den Umstand übersehen hatte, dass den Geräten ein Würfelspiel vorgeschaltet war. Er hatte nur ein Gerät angesehen, „und das nur oberflächlich“, und alle anderen als baugleich eingestuft, wie der bei den Razzien zuständige Polizeieinsatzleiter Hermann Winkler nun einräumt. Die Pikanterie dabei: Der Sachverständige wurde extra angefordert, um, was etwaige Raffinessen der Spielautomaten betrifft, auf Nummer sicher zu gehen. Bei dem angeforderten Sachverständigen aus Niederösterreich dürfte es sich aber nicht gerade um den „Sattelfestesten“ gehandelt haben, wie von Insidern dazu zu vernehmen ist.
„Es sollte ein Präventivschlag sein, es war aber ein Schlag ins Wasser“, räumt inzwischen Polizeieinsatzleiter Winkler unumwunden ein.
Strafamt: 226 Verfahren durchgezogen
Kritik gibt es aber auch am enormen Aufwand, der betrieben wurde: Vom Strafamt wurden „geradezu exzessiv“ Bescheide hinausgejagt, Beschlagnahme-Bescheide, Strafbescheide, insgesamt wurden 226 Verfahren durchgeführt. Roland Schagerl, Leiter des Strafamtes, weist die Kritik allerdings zurück: „Wir mussten tätig werden, sonst hätte es geheißen, wir tun nichts.“ Hätte man ihn gefragt, „hätte ich gesagt, wickeln wir zwei, drei Verfahren ab, und schauen wir, wie die ausgehen. Wir waren aber nicht eingebunden. Hauptakteur war die Polizei, Panosch und Haybäck waren eingebunden.“ ( Hanspeter Panosch, Leiter des Stadtsteueramtes, und Michael Haybäck, Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung.)
Nach Liste vom Magistrat vorgegangen
Bei den Einsätzen ging die Polizei nach einer Liste „verdächtiger Automaten“ vom Stadtsteueramt vor. Dass das Stadtsteueramt von verdächtigen Automaten wusste, entbehrt ebenfalls nicht einer gewissen Pikanterie: Jahrelang wurden Geldspielautomaten – trotz des generellen Verbots – toleriert. Die Stadt hob sogar eine pauschalierte Steuer von 463 Euro pro Apparat ein. Bis vor der heurigen Wahl am 1. März die Scheinheiligkeit, aus dem illegalen Glücksspiel Steuern zu kassieren, zum Wahlkampfthema wurde und SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden verkündete, er wolle „das schmutzige Geld nicht“. Gleichzeitig wurde, weil es ebenfalls Kritik daran gab, dass die Stadt nichts gegen illegales Glücksspiel unternehme, zum Schlag gegen die Glücksspiel-Szene ausgeholt.
Bundesgesetz liegt auf Eis
Nun wartet alles auf die bundeseinheitliche Regelung. Einen Gesetzesentwurf gibt es bereits, aber der liegt auf Eis. Zu viele Lobbyisten haben Befürchtungen, auch die Glücksspiel-Szene in Salzburg, die durchwegs aus kleinen Betreibern besteht. Vorgesehen sind nämlich nur noch casino-ähnliche Spielsalons. (Siehe Kasten)
Betreiber kamen nicht ganz ungeschoren davon
Eines hat die ins Leere gegangene Aktion nämlich selbst den Behörden vor Augen geführt: Die Salzburger Regelung ist, was den Kampf gegen illegales Glücksspiel betrifft, wirkungslos.
Ganz ungeschoren kamen die Spielautomatenbetreiber allerdings nicht davon. Bei den Einsätzen waren neben dem Sachverständigen, den Beamten der Kriminalpolizei und den Mitarbeitern des Magistrats auch Vertreter der AGM (der Schengen-Fahndungsgruppe) und der Kiab, einer Spezialeinheit des Finanzamts, dabei. Einige gingen der Finanz ins Netz und müssen nach einer Finanzprüfung kräftig nachzahlen. Bei einem Betreiber macht das 30.000 Euro aus. Besagter Betreiber: „Darüber schweigt man sich in der Branche aber aus.“
Brigitte Gappmair
Der neue Gesetzesentwurf: Glücksspiel soll bundesweit einheitlich geregelt werden
Der Gesetzesentwurf sieht eine bundesweit einheitliche Regelung vor: Glücksspiel soll bis zu einer gewissen Höhe erlaubt sein, allerdings unter Auflagen. Betreiber oder Gesellschaften müssen ein Stammkapital von 50 Millionen Euro einbringen. Was vor
allem bei kleinen Spielautomaten-Aufstellern auf heftigen Widerstand stößt: Kleine hätten dann keine Chance mehr, nur noch Große wie die Novomatic – in der Glücksspielbranche ist bereits von der „Lex Novomatica“ die Rede. Einvernehmen herrscht hingegen über im Gesetz ebenfalls vorgesehene Maßnahmen zum Spielerschutz.
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