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China bremst Zocker-Boom in Macau

Die südchinesische Casino-Metropole Macau verbucht fulminante Wachstumsraten. Doch zusehends wird der Erfolg der Zentralregierung in Peking suspekt. Einreisebeschränkungen sollen den Boom bremsen - mit bislang bescheidenen Resultaten.

Inmitten der Baccarat-Tische riecht es plötzlich nach Hühnchen und Reis. Acht ältere Männer, allesamt Chinesen aus der Volksrepublik, haben sich Essen ins Casino Lisboa in Macau bringen lassen. In ihren grau gewaschenen, ausgeleierten T-Shirts und mit übermüdeten Augen drehen sie sich nur für ein paar Minuten vom Spieltisch zur Seite. Hastig löffeln sie mit Stäbchen aus der weißen Fast-Food-Schale – um so schnell wie möglich die nächste Runde zu spielen.

Die Chinesen gelten als leidenschaftliche Zocker. Nicht einmal für die Mittagspause verlassen einige die Casinos in der Spiel-Hochburg am südchinesischen Meer. Das gilt besonders für Besucher aus der Volksrepublik, die oft nur für einen Tag kommen. Zu Hause haben sie keine legale Gelegenheit, um Geld zu spielen. Macau, die Sonderverwaltungszone, die bis 1999 zu Portugal gehörte, ist der einzige Ort in ganz China, in dem Glücksspiel erlaubt ist. Im benachbarten Hongkong sind lediglich Pferdewetten zugelassen.

Dank der Begeisterung fürs Glücksspiel hat Macau in den vergangenen Jahren einen unbeschreiblichen Boom erlebt. Binnen einer halben Dekade hat sich der Umsatz der Casino-Betreiber fast verzehnfacht. Im ersten Halbjahr 2008 übertrafen die Erlöse aus dem Glücksspiel mit 59 Milliarden Patacas (4,9 Milliarden Euro) den gesamten Jahresumsatz 2006. Längst hat Macau das Spieler-Paradies Las Vegas in den USA überrundet. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 36.000 Dollar avancierte die kleine Enklave zu einer der reichsten Regionen Asiens.

15 Millionen Besucher zählten die Behörden im ersten Halbjahr in der 540.000-Einwohner-Stadt, drei Fünftel davon aus der Volksrepublik. Und die Expansion hält an: Ein Hotel nach dem anderen wird seit Monaten am Cotai-Strip, einem Streifen neu gewonnenen Landes im Süden der Halbinsel, eröffnet.

Doch in Peking sorgt der unaufhaltsame Aufschwung für Misstrauen. Die Zentralregierung will den Besucherstrom bremsen. Gleich zweimal wurden in den vergangenen Wochen die Einreisebestimmungen für Festland-Chinesen verschärft.

"Der Boom ging einfach zu schnell", sagt Davis Fong, der einen Lehrstuhl für Gaming Management an der Universität der Stadt betreut. "Das Wachstum ist so phänomenal, dass die chinesischen Behörden es abkühlen wollen", erläutert auch Lawrence Ho, Vorstandschef des Casinobetreibers Melco. Der 31-Jährige ist ein Sohn der Casino-Legende Stanley Ho, der über 40 Jahre das Casino-Monopol in Macau hielt. Erst seit 2002 gibt es hier so etwas wie Wettbewerb.

Verdacht auf Geldwäsche

Fong weist auf einen zweiten Punkt hin, der die Zentralregierung beunruhigen könnte. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier illegales Geld aus dem Ausland gewaschen wird." Auch Analysten glauben, dass die chinesischen Behörden korrupten Beamten das Leben schwer machen wollen, die Bestechungsgelder bei einer Runde Black Jack waschen.

Anfang Juni wurde die Einreiseerlaubnis für Besucher aus Guangdong – aus der reichen Provinz direkt nördlich von Macao stammen viele der Spieler – auf einen Besuch pro Monat beschränkt. Einen sichtbaren Einfluss auf die Zockerzahlen hatte das nicht: Im Juni stieg ihre Zahl um 22 Prozent.

Seit einigen Wochen ist nun nur noch alle zwei Monate ein Besuch erlaubt. Zusätzlich reicht ab September ein Visum für Hongkong nicht länger für die Einreise nach Macau. Chinesen aus der Volksrepublik müssen für den Casino-Besuch eine separate Genehmigung beantragen. "Wir sehen das als starkes Signal, dass die Regierung ernstlich besorgt ist wegen des übernatürlichen Wachstums der Casino-Industrie in Macao", sagt Karen Tang, Analystin der Deutschen Bank.

Ein Experte einer europäischen Bank vermutet einen tieferen Grund. "Aus Pekings Sicht muss in Macau etwas schief laufen. Es passt nicht zusammen, dass die Umsätze um 60 Prozent wachsen, aber keiner der Anbieter eine ordentliche Marge erwirtschaftet." Als "Massaker" beschreibt er den Wettbewerb der sechs Anbieter um Kunden.

Peking mischt sich ein

Die Zentralregierung kann es nicht einfach hinnehmen, dass sich die Anbieter wie Wynn, Sands oder Stanley Ho gegenseitig zerfleischen. Zu entscheidend ist die Branche für die Stadt geworden. Ein Viertel der Bevölkerung arbeitet hier, die Steuern und Abgaben der Casinos machen 80 Prozent der Staatseinnahmen aus.

In Macao werden die Direktiven Pekings teilweise dennoch als Einmischung gesehen. Schließlich gilt hier wie auch im benachbarten Hongkong das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme". Der Stadtstaat folgt zwar bei Außenpolitik und Verteidigung der zentralen Linie, hat aber eine eigene Regierung, verabschiedet einen separaten Haushalt in eigener Währung und ist in Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit deutlich liberaler als das Mutterland.

Und schließlich gibt es Zweifel, dass die Restriktionen auch Wirkung entfalten. Nicht nur ist mit Geschäftsvisa nach wie vor eine häufigere Einreise möglich. Auch eine andere Option bleibt. Besucher könnten nicht so oft kommen, dafür aber einfach länger bleiben, vermutet David Green, der in Macau für die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers den Bereich Gaming leitet.

Quelle: <a href="http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,570694,00.html">http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,570694,00.html</a>