Bwin-Chef fordert ein Ende anonymisierter Wetten

Jörg Wacker, Chef des deutschen Sportwettenanbieters Bwin, ist derzeit um seinen Job nicht zu beneiden. Erst schränkt die deutsche Politik das Glücksspiel ein. Jetzt erschüttert der Zockerskandal im Fußball das Geschäft. Für Wacker ist das auch eine Folge des staatlichen Monopols auf Glückspiele.

WELT ONLINE: Herr Wacker, der internationale Fußball wird derzeit von einem der größten Wettskandale erschüttert. Muss auch Bwin befürchten, betrogen worden zu sein?

Jörg Wacker: Bei allen bisherigen Wettskandalen waren wir nicht betroffen und das wohl vor allem deshalb, weil Bwin wegen seiner hohen Sicherheitsstandards und seiner vergleichsweise niedrigen Einsatz- und Gewinnlimits für Betrüger sehr unattraktiv ist. Zu den aktuellen Fällen können wir noch nichts sagen, da die Behörden noch keine konkreten Informationen herausgegeben haben, wo genau betrogen wurde. Zumindest für die türkischen Spiele aber wissen wir, dass Bwin nicht betroffen war.

WELT ONLINE: Dennoch müssen Sie fürchten, dass durch einen solchen Wettskandal Ihre gesamte Branche in Verruf gerät?

Wacker: Sicher, deshalb fordern wir schon seit langem deutlich effektivere Schutzmaßnahmen für die gesamte Branche, und das nicht erst seit dem Hoyzer-Skandal 2005. Die Politik muss beispielsweise die erlaubten Einsatz- und Gewinnhöhen viel stärker limitieren und die Abgabe anonymisierter Wetten strikt verbieten. Die Möglichkeiten des Internets sind hier übrigens sehr hilfreich, weil sie Wetteinsätze in Echtzeit kontrollieren und zuordnen können.

WELT ONLINE: Um solche Skandale zu vermeiden, ist aber vor allem die Moral der Spieler, Trainer und Schiedsrichter entscheidend. Und Moral, das hat ja auch die Finanzkrise gezeigt, ist schwer per Gesetz zu verfügen.

Wacker: Trotzdem kann die Politik einiges tun, etwa indem sie endlich das staatliche Monopol auf Glücksspiele abschafft, das seit 2008 gilt. Monopole fördern den Schwarzmarkt und die Konsequenzen erleben wir jetzt. Die richtige Antwort auf solche Skandale wäre ein liberalisierter und streng regulierter Wettmarkt, denn nur so kann man die Vorgänge kontrollieren und Betrügereien aufspüren.

WELT ONLINE: Sind tatsächlich so viele Sportwettkunden in den Schwarzmarkt abgewandert, seitdem das staatliche Glücksspielmonopol Anfang 2008 in Kraft getreten ist?

Wacker: Leider ja. Allein im Internet gibt es 3000 Sportwettenseiten, die für deutsche Kunden zugänglich sind. Ein großer Teil des Schwarzmarkts spielt sich zudem auch in der realen Welt ab.

WELT ONLINE: Wie muss man sich das vorstellen?

Wacker: Ganz unterschiedlich. Da gibt es so genannte Läufer, die freitags bei ihren Kunden die Wetteinsätze für Spiele einsammeln, die am Wochenende ausgetragen werden. Damit gehen sie zum Buchmacher – und am Sonntag trägt der Läufer die Gewinne wieder zurück. Das ist oft hochprofessionell organisiert, und es geht um viel Geld. Es wurden schon Läufer festgenommen, die 1,5 bis zwei Mio. Euro in der Tasche hatten.

WELT ONLINE: Ob man die aus dem Schwarzmarkt herausbekommt, ist fraglich – selbst wenn der Markt geöffnet würde.

Wacker: Das stimmt, aber man darf den Schwarzmarkt eben auch nicht unnötig anfüttern. Wenn man seriöse Anbieter wie uns, bei denen Kunden Jahre lang zufrieden waren, aus dem Markt rausdrängt, dann suchen die Kunden nach Ausweichmöglichkeiten. Wer Lust zum Spielen hat, findet seinen Weg, das weiter zu tun. Im Übrigen sprechen die Zahlen für sich: Nach einer Studie der Universität Linz dürfte der Schwarzmarkt bei Sportwetten auf Grund des Verbotes 2008 um rund 370 Prozent zugelegt haben.

WELT ONLINE: Der Schwarzmarkt ist nicht die einzige Folge des Glücksspielgesetzes, die Sie quält.

Wacker: Fast zwei Jahre haben wir das neue Gesetz und die Bilanz ist verheerend, denn es gibt nur Verlierer. Nehmen Sie nur die Fußballbundesliga: Sie hat aufgrund der Werbeverbote Mindereinnahmen von 100 bis 300 Millionen Euro zu beklagen. Auch der Breitensport bekommt viel weniger Fördergelder: Weil die Lottoumsätze allein im vergangenen Jahr um eine Milliarde Euro zurückgegangen sind, sind auch die Abgaben an den Staat um 500 Mio. Euro rückläufig. Das ist Geld, das normalerweise dem Breitensport, sozialen oder kulturellen zwecken zu Gute kommt.

WELT ONLINE: Wie stark wurde Bwin getroffen?

Wacker: Trotz des Staatsvertrags sind wir in Deutschland in den vergangenen Jahren zwar mit geringen Steigerungsraten aber immerhin kontinuierlich gewachsen. Dennoch sind wir alles andere als zufrieden. Hätten wir uneingeschränkt werben dürfen, wäre einiges mehr drin gewesen.

WELT ONLINE: Wie viel etwa?

Wacker: Das ist natürlich schwer zu sagen. Aber da Sportwetten in anderen Ländern ein stark wachsendes Segment sind, gehe ich davon aus, dass auch bei uns ein Wachstum von mindestens zehn Prozent möglich gewesen wäre. Das gilt im Übrigen für den gesamten Markt: Einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zufolge hätte der deutsche Sportwettenmarkt bis 2011 von fünf Milliarden Euro auf acht Milliarden Euro wachsen können, wenn er nicht monopolisiert worden wäre.

WELT ONLINE: Sie haben mehrfach geklagt, etwa um sich gegen die Werbeverbote in Fußballstadien zur Wehr zu setzen. Mit welchem Erfolg?

Wacker: Wir haben Schadensersatzklagen gegen drei Länder eingebracht. Aber es wird noch Jahre dauern, bis das höchstrichterlich entschieden wird. Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Bundesgerichtshof am Ende für uns entscheidet.

WELT ONLINE: Und wie viele Klagen haben Sie an den Hals bekommen, weil Sie gegen das neue Recht verstoßen haben?

Wacker: Etliche.

WELT ONLINE: Mit welchem Ausgang?

Wacker: Das ist sehr unterschiedlich. Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit ist Deutschland beim Glücksspielstaatsvertrag ein rechtlicher Flickenteppich. Der Ausgang der Prozesse hängt also stark von der Region und der Gerichtsebene ab, in der die Fälle verhandelt werden.

WELT ONLINE: Das muss viel Geld gekostet haben.

Wacker: O ja. Geld, das wir lieber als Steuer an die Länder abführen würden.

WELT ONLINE: Wie viel war das ungefähr?

Wacker: Sehr viel, aber auf Zahlen möchte ich hier nicht eingehen. Der Punkt ist, dass für diese Situation noch ganz andere Marktteilnehmer bezahlen müssen. Nehmen Sie neben dem Sport nur die deutschen Medienunternehmen und die Werbeeinnahmen, die ihnen verloren gehen. Bwin gab 2006 noch 60 Mio. Euro für Marketing aus. 2009 werden es weniger als acht Mio. Euro sein.

WELT ONLINE: Ist der Wunsch groß, bei dieser Misere ins Ausland abzuziehen?

Wacker: Wir halten am deutschen Markt fest, aber natürlich fließen die Werbeausgaben der Bwin-Gruppe vermehrt in andere Länder. Rund um Deutschland öffnen sich die Märkte, und immer mehr Anbieter ziehen dorthin. In Italien etwa investiert Bwin derzeit im großen Stil.

WELT ONLINE: Unmut gegen die Glücksspielordnung gibt es – auch politisch – schon lange, passiert ist nichts. Wie optimistisch sind Sie, dass der Vertrag nach 2011 nicht verlängert wird?

Wacker: Der Vertrag hat auch politisch immer weniger Rückhalt. Ein Indiz dafür ist Schleswig-Holstein, wo die Regierung gerade angekündigt hat, den Glücksspielstaatsvertrag zu kündigen.

WELT ONLINE: Schleswig-Holstein allein hilft aber nicht. Das Land hat schon 2006 gegen den Vertrag protestiert, zustande kam er trotzdem.

Wacker: Ja, aber wir sind zuversichtlich, dass sich weitere Länder entsprechend positionieren werden. Der Staatsvertrag sieht ja eine Überprüfung vor. Alle Länder sehen ihre Mindereinnahmen und viele erkennen, dass mit Verboten ihre berechtigten Regulierungsziele nicht erreicht werden.

WELT ONLINE: Wenn Sie darauf wetten würden, ob der Vertrag verlängert wird oder nicht – wie hoch wäre Ihr Einsatz?

Wacker: Ich habe keine Lust, eine Wette auf unsere Zukunft einzugehen, dafür ist das Thema zu ernst. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Vernunft auch in Deutschland mit einem Regulierungsmodell durchsetzen wird, das allen Interessen gerecht wird. Alle Argumente liegen auf dem Tisch, um das Thema politisch und nicht in Jahre langen juristischen Auseinandersetzungen zu entscheiden.

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