Wir gehen nie ohne Polizeischutz

Der oberste Glücksspiel-Kontrolleur schlägt Alarm: Ausländische Banden haben Tausende Restaurants und Bars zu illegalen Spielhöllen umfunktioniert.

Jean-Marie Jordan (55) muss mit seinen Kontrolleuren sicherstellen, dass Glücksspiele um Geld nur in Casinos angeboten werden. Eine mühsame Arbeit, denn die Kriminellen sind einfallsreich. Bis anhin war der Kampf gegen die bösen Jungs mehr oder minder ausgeglichen. Doch nun kommt Jordan mit seinen Ermittlern an den Anschlag. Gut organisierte Banden aus dem Balkan und der Türkei haben das illegale Geschäft in der Schweiz übernommen. Schätzungsweise 2500 Restaurants, Bars und Kebab-Buden haben sie zu illegalen Spielhöllen umgerüstet. «Das ist zu einem grossen Problem geworden», sagt Jordan.
Die ausländischen Banden haben ein einträgliches Geschäft aufgezogen für Spieler, die sich im Casino nicht wohlfühlen. «Wir haben auf der einen Seite die saubere Welt der Casinos und Lotterien. Auf der anderen Seite gibt es diese illegale Welt. Für die Spieler ist diese Welt sehr problematisch», sagt Jordan. Sie gerieten ins Umfeld organisierter Kriminalität. «Dort gibt es alles Mögliche: von Drogen über Waffen bis Menschenhandel.»
Jordan muss es wissen. Er leitet die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) mit rund 40 Mitarbeitern. Seine Kontrolleure erfahren am eigenen Leib, wie gefährlich die Banden sind. Immer wieder treffen die Beamten auf bewaffnete Beizer. «Wir gehen nie ohne Polizeischutz.» In der Regel kontrollieren die ESBK-Beamten mit einem Grossaufgebot von 15 bis 20 Polizisten. «Das sind schwierige Momente für meine Ermittler», sagt Jordan.
Noch vor fünf, sechs Jahren waren illegale Glücksspiel-Angebote eine Art Untergrund-Casinos. Die Leute spielten an konventionellen Automaten. «Heute spielen sie illegal an Computern in Restaurants und Bars», sagt Jordan. Die Computer sind mit dem Internet verbunden, das Spiel selbst läuft im Ausland. «Der Computer ist lediglich ein Zugriffsinstrument», erklärt Jordan. Und da liegt das Problem für die Ermittler: «Wenn wir einfach einmarschieren und den Stecker ziehen, haben wir keinen Beweis, dass illegal gespielt wurde. Wir müssen die Spiele vor Ort filmen.» Und das ist aufwendig. Die Kontrolleure kommen nicht nach. Jährlich 80 bis 100 Lokale hat die ESBK in den letzten Jahren ausgehoben. «Letztes Jahr waren es etwa 120 Fälle. Wir wurden von der Entwicklung überrascht.» In der Schweiz sind laut Jordan gleich mehrere Banden tätig. Diese seien «sehr leistungsfähig». Die Hintermänner hätten ein ausgeklügeltes Pyramidensystem aufgezogen: «Der oberste Chef hat ein paar wenige Leute direkt unter sich.
Jeder von diesen hat dann wieder Leute unter sich. Und so weiter.» Nur die unterste Stufe kümmere sich direkt um das Geschäft und habe Kontakt zu den Wirten.
Dieses System mache es äusserst schwierig, gegen die Organisatoren vorzugehen: «Wenn wir einen Wirt überführen, nehmen wir die Computer mit. Ein paar Tage später stehen wieder neue im Lokal.» Die Computer organisiert ein Hintermann. «Für uns geht das Spiel von vorne los.» Das Geschäft ist einträglich. Ein einzelnes Lokal setzt laut ESBK mehrere Millionen Franken um. Experten schätzen den Markt auf 150 Millionen.
Nach langen Ermittlungen konnte die ESBK letztes Jahr eine Bande aufdecken, wie Jordan verrät. «Es geht um eine sehr grosse Organisation und hohe Summen.»
Zurzeit würden die letzten Ermittlungen abgeschlossen. Dieser Erfolg sei das Resultat «harter und mühsamer Arbeit». Die Mittel der Beamten sind gering: «Heute können wir die Leute nur begrenzt überwachen und können nicht verfolgen, wohin das Geld fliesst.» Jordan fordert mehr Kompetenzen. Mit dem neuen Geldspielgesetz könnte er diese bekommen.

blick.ch