Pokerverbot treibt Zocker in den Ruin
Vor zwei Jahren, als er zwanzig war und mit dem Zocken anfing, erfuhr Petar zwei grundlegende Dinge über sich. Erstens: Er ist ein begnadeter Pokerspieler. Zweitens: Er ist spielsüchtig.
Nach ersten Erfolgen wagte Petar den grossen Auftritt in einem Casino. Er kam mit 500 Franken, gewann 15 000, liess sich das Geld auszahlen und landete am Roulettetisch. «Nach einer halben Stunde waren die 15 000 weg – ohne dass der Croupier auch nur ein Wort sagte», sagt Petar heute. Nach diesem Erlebnis habe er sich bei den Schweizer Casinos sperren lassen, erzählt er.
Auto und eigenes Zimmer
Die nächsten zwei Jahre waren für Petar und die Schweizer Zockerszene die goldene Ära. Petar spielte an vier bis fünf Abenden pro Woche an öffentlichen Turnieren, bei denen man sich mit 50 bis 200 Franken Einsatz einkaufte – und nicht mehr Geld verlieren konnte.
Petar gehörte schnell zu den besseren Zockern im Land. «Im ersten Jahr verdiente ich so neben meinem Job als Maurer 80 000 Franken, im zweiten Jahr wohl ebenso viel.» Er kaufte sich ein Auto für 25 000 Franken und ein Zimmer in seiner Heimat Kroatien.
Wucherzins
Am 2. Juni 2010 kam der Schock. Das Bundesgericht verbot per sofort öffentliche Pokerspiele. Grössere Pokerrunden finden seither nur noch in Casinos statt – oder in illegalen Clubs. Das Casino kam für Petar nicht in Frage. Also ging er mit seinen Kollegen an illegale Spiele, die in Wohnungen und Hinterzimmern von Restaurants stattfanden.
«Wir mussten mindestens 400-500 Franken Einsatz zahlen. Wer aus dem Spiel flog, konnte sich wieder einkaufen. Wer zu wenig Geld dabeihatte, konnte sich von schrägen Typen welches borgen», erzählt Petar. Wer 1000 Franken aufnahm, musste eine Woche später 1200 Franken zurückzahlen - der Zinssatz lag also bei wucherhaften 20 Prozent.
Spiellust ausleben
Einige seiner Kollegen seien so massiv in die Schulden gerutscht. Auch Petar lief es nicht mehr gut. «Innerhalb weniger Wochen habe ich 4500 Franken verloren.» Er kriege sein Konto aber schon wieder aus dem Minus, meint Petar, aber er dürfe auf keinen Fall weiterhin solche Runden besuchen. Petars Ersatzbeschäftigung: Zocken im Internet, ein- bis zweimal im Monat ins Poker-Casino Bregenz, wo keine Roulettetische ablenken.
Wie viele andere Spieler, beteuert Petar, wünsche er sich die öffentlichen Turniere ausserhalb der Casinos zurück. «Das war genau das richtige für Spielernaturen. Man konnte die Spiellust ausleben, aber es gab keine Versuchungen. Keine Cash-Games, keine Kredite, kein Roulette, kein Black Jack.»
Befürchtungen wahr geworden
Schon wenige Tage nach dem Pokerverbot wurden Befürchtungen laut, dass sich Fälle wie der von Petar häufen würden. Nach Meinung der Pokerszene hatte die liberale Praxis der Behörden erlaubt, Glücksspiel mit wenig Risiko zu betreiben. Denn bei den öffentlichen Turnieren konnte man nicht mehr als den einmaligen Startbetrag ausgeben. Und nach dem Ausscheiden nicht beim klassischen Glücksspiel hängenbleiben.
Die Casinos, hiess und heisst es vonseiten der Pokerfreunde immer wieder, hätten das flächendeckende Pokerverbot bloss durchgesetzt, damit die Spieler im Casino an den klassischen Spielen hängenblieben.
Black Jack und Kredithaie
Geteilt wird diese Einschätzung der Szenekenner von einem Polizisten, der in Glücksspielkreisen ermittelt und anonym bleiben will. «Es ist klar, weshalb die Casinos das Pokerverbot durchgesetzt haben. Denen geht es nicht ums Pokern, damit gewinnen sie nichts. Die setzen einzig darauf, dass die Spieler am Roulette und Black Jack hängenbleiben. Und in den illegalen Clubs warten Kredithaie.»
Dass das Verbot nicht nur jüngeren Spielern wie Petar zum Verhängnis geworden ist, beweist die Geschichte von Michael, 43, Verkaufsleiter in einem grossen Handelsunternehmen.
«Solange die Turniere legal waren, ging ich mit meinen Kollegen ein- oder zweimal in der Woche ins Kaufleuten. Pro Abend verlor ich maximal den Eintritt, also 200 Franken.» Nach dem Pokerverbot organisierte er mit Kollegen privates Spiel. «Es artete aus. Ich gewann 800 Franken, ein anderer verlor 800.»
20 000 Minus
In den nächsten Wochen besuchten sie regelmässig drei illegale Clubs, die nach dem Verbot in einem Billardsaal und Hinterzimmern von Restaurants aufgingen. Dort spielten Michael und seine Kollegen mit Leuten, denen die Tausendernoten zwischen den Fingern hindurchrannen. «Da waren Banker, aber auch Typen, die höchstwahrscheinlich kriminell sind.» Dort verliess das Glück Michael. «Am ersten Abend verspielte ich 4500 Franken, nach wenigen Wochen waren es 20 000 Franken.» Einigen Freunden sei es ähnlich ergangen, sagt er.
Michael geriet an zwielichtige Kreditgeber. «Die gaben dir zwei-, drei-, viertausend Franken bar auf die Hand. Kein Problem.» An einem Abend borgte sich Michael, nachdem er 2000 Franken verspielt hatte, noch einmal so viel. «Ich gab dem Typen das Geld am nächsten Tag zurück, sonst hätte er wohl dick Zins draufgeschlagen.»
Erspartes verprasst
Auch die zweite Alternative zum öffentlichen Turnier, das Casino, versprach kaum Nachhaltigkeit. «Ich wechselte nach dem Poker schnell an den Roulettetisch, wo ich insgesamt über 5000 Franken liegen liess.» Danach liess sich Michael bei den Casinos sperren. «Obwohl ich gut verdiene, habe ich in diesen wenigen Wochen praktisch mein ganzes Erspartes verprasst.» Weil er fast jeden Tag das verlorene Geld zurückgewinnen wollte, vernachlässigte er die Familie.
Vor wenigen Wochen zog Michael die Notbremse. Auf Anraten eines Psychiaters klärte er sein Umfeld über sein Problem auf.
«Ich sagte ihnen, dass sie mir kein Geld leihen dürfen, sollte ich danach fragen.» Michael meidet seither Casinos und illegale Pokerclubs. Zocken will er erst wieder, wenn es öffentliche Turnier ohne Cash-Games gibt. «Ich habe meine Existenz nicht ruiniert», sagt Michael, «aber ich war nahe dran.»
Sollten es dann halt beim Online Poker versuchen!!!!
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