Am Roulette-Tisch geht nicht mehr viel
14. Februar 2010 Sachsen-Anhalt hat seine Spielbanken an einen israelischen Finanzinvestor verkauft, der bei Dessau ein „Las Vegas des Ostens“ errichten will. In Wiesbaden, Bad Homburg und Mainz wird dergleichen nicht befürchtet: „Diese Gefahr ist bei uns ausgeschlossen“, sagt Thomas Freiherr von Stenglin, Geschäftsführer der Spielbank Wiesbaden. „Ein Verkauf ist weit weg“, meint auch Andreas Krautwald, spieltechnischer Direktor der Spielbank Bad Homburg.
In Hessen und Rheinland-Pfalz sind die Casinos schon in privaten Händen. Aber auch hier haben die staatlich lizenzierten Betreiber seit Jahren mit dramatischen Umsatzeinbußen zu kämpfen. „Im Vergleich zu unserem besten Jahr 2005 haben wir einen Umsatzrückgang von 40 Prozent“, sagt Stenglin. „Das hätten viele Unternehmen nicht überlebt.“ In Wiesbaden ist die Hamburger Verlegerfamilie Jahr Mehrheitskonzessionär, die Gastronomen Käfer und Kofler halten Anteile. In Bad Homburg betreibt der Unternehmer Werner Wicker das Casino. Einen Rückgang der Bruttospielerlöse um offiziell 20 Prozent beklagt man in der Spielbank Mainz. Dort ist Milliardär Karl-Heinz Kipp, Gründer der früheren Handelskette Massa, Teilhaber der Spielbank-Gesellschaft Mainz-Trier-Bad Ems.
Einstellungsstopp als Reaktion
Mit Sparmaßnahmen wie etwa einem Einstellungsstopp kämpfen die Spielbanken gegen die Krise an. Der Staat ist ihnen entgegengekommen und hat die Spielbankabgabe gesenkt. In Hessen müssen nur noch 80 Prozent der Bruttospielerträge abgeführt werden, nicht mehr 92. Eine weitere Senkung um ein paar Prozentpunkte ist so gut wie beschlossen. Schließlich sind in anderen Bundesländern, etwa in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, lediglich 25 Prozent abzuführen.
Dabei ist es gerade die staatliche Regulierung, die den Casinos das Spiel verdirbt. Mit Einführung des Glücksspielstaatsvertrages Anfang 2008 und den strengeren Gesetzen zum Nichtraucherschutz sind die Besucherzahlen der Spielbanken eingebrochen. Hinzu kommt die Wirtschaftskrise, die die Risikobereitschaft der Kunden sinken lässt. „Es gibt keinen Anlass zu Optimismus“, sagt Krautwald in Bad Homburg.
Seit Anfang 2008 werden auch die Gäste, die nur an den Automaten spielen wollen, registriert – damit gesperrte Teilnehmer beim Abgleich mit einer bundesweiten Datenbank erkannt werden können. Denn die Spielbanken müssen ihrem staatlichen Auftrag nachkommen: Sie sollen nicht zum Spielen ermuntern, sondern der Mensch soll seinen Spieltrieb in geordnetem, seriösem Rahmen befriedigen können. „Es gibt allerdings Menschen, die sich nicht identifizieren lassen wollen“, sagt Stenglin. Diese seien abgewandert in private Spielhallen, die dem Vertrag nicht unterliegen. Dort darf weiterhin anonym und in Rauchschwaden gezockt werden – denn Spielhallen gelten als Gewerbebetriebe.
„Die guten Zeiten kommen nicht wieder“
Stenglins Mitarbeiter schauen nach seinen Worten manches Mal bei der privaten Konkurrenz vorbei – und träfen dort auf bekannte Gesichter. Die Politiker hätten somit erreicht, was sie eigentlich nicht wollten: den Rückzug der eigentlich Hilfsbedürftigen in die Anonymität. „Wir haben einen ungleichen Wettbewerb“, sagt auch Krautwald. Er macht sich keine Illusionen: „Die guten Zeiten kommen nicht mehr wieder.“
Der Wiesbadener Geschäftsführer Stenglin ist auch Sprecher der Deutschen Spielbanken-Interessen- und Arbeitsgemeinschaft. Mit seinem Verband betreibt er Lobbyarbeit, um die Politiker zum Einlenken zu bewegen. „Wir versuchen, ihnen die Augen zu öffnen, ich bin allerdings nicht sehr optimistisch. Wir können nur hoffen, dass die Vernunft siegt.“ Man sei mit den Spielbankbetreibern im Gespräch, sagte ein Sprecher des für das Glücksspiel zuständigen Hessischen Innenministeriums. Es seien derzeit allerdings keine Nachbesserungen am Glücksspielstaatsvertrag geplant. „Dass sich die Bruttospielerträge verringert haben, kann auch ausschließlich eine Folge der Wirtschaftskrise sein.“
Flip-Flops und kurze Hosen weiter tabu
Das Internet ist vollends den unkontrollierten Anbietern überlassen. Die Spielbank Wiesbaden, die für vier Jahre als einzige in Deutschland eine Konzession für Online-Glücksspiele hatte, musste ihr erfolgreiches Angebot zum 1. Januar 2008 vom Netz nehmen. Am heimischen PC wird dennoch munter gezockt - nun eben bei Anbietern, die ihren Firmensitz in Gibraltar oder auf der Isle of Man haben. Im Internet wie in den staatlich lizenzierten Spielbanken erfreut sich das Pokerspiel immer größerer Beliebtheit. Mit dem Nachteil, dass es dabei für die Spieler viel zu gewinnen gibt, für die Casinos wenig. „Die Gäste spielen untereinander, aber nicht gegen die Bank“, sagt Stenglin. In Wiesbaden füllen die Pokerspieler unter der Woche die Säle im Kurhaus. Jeden Abend findet ein Turnier statt.
In guten Zeiten konnten sich die Spielbanken ihre Gäste noch aussuchen. Wer nicht schick genug gekleidet war, wurde gar nicht erst eingelassen. Die Krawattenpflicht ist mittlerweile aufgehoben. Trotzdem: „In Flip-Flops und kurzen Hosen kommt keiner rein“, stellt Krautwald klar. Jackett müsse immer noch sein - notfalls könne man sich am Eingang eines leihen. An den Automaten darf man auch in Freizeitkleidung und mit Baseballkappe auf dem Kopf spielen. Das sogenannte kleine Spiel macht mittlerweile immerhin rund 75 Prozent des Umsatzes der Spielbanken aus. Auch wenn man in Bad Homburg diesem Trend entgegenarbeitet. „Wir setzen auf das klassische Spiel“, sagt Krautwald. Zudem will man sich in der Kurstadt von den unsicheren Einnahmen aus dem Spiel mit dem Glück unabhängiger machen, wie der Direktor erklärt. So sollen Gäste zum Essen ins Restaurant kommen oder zum Tanzen in die Lounge, ohne spielen zu müssen. Wenn sie es doch tun und obendrein noch verlieren - umso besser.
Für Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrags
In Wiesbaden investiert man noch einmal kräftig in die einarmigen Banditen. „Das Automatenspiel wird in diesem Jahr komplett aktualisiert“, sagt Stenglin. Schließlich hatten sich die Betreiber in den vergangenen Jahren mit Investitionen zurückgehalten - weil nicht feststand, ob sie ihre Konzession behalten würden. Ende vergangenen Jahres wurde sie bis 2020 verlängert. Stenglin verbreitet Aufbruchstimmung: „Wir greifen richtig an.“ Die Hoffnung auf bessere Tage hat er noch nicht aufgegeben. Sein stärkstes Argument für eine Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrags ist das Geld. „Dem Staat gehen die Einnahmen verloren“, sagt er. Das müssten die Politiker doch einsehen und endlich handeln. Die Stadt Bad Homburg etwa bekam früher rund zehn Millionen Euro aus der Spielbankabgabe. Heute ist es etwa die Hälfte. Besserung nicht in Sicht.
Text: F.A.Z.
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