Bloomberg zu aktuellen Markttendenzen

Die Rezession trifft auch professionelle Pokerspieler. Sie hat nämlich dafür gesorgt, dass es viel weniger reiche Amateure gibt, die sich bei Einsätzen von bis zu 4000 Dollar (3056 Euro) von den Profis ausnehmen lassen. Für Barry Greenstein und andere Pokerprofis hat das empfindliche Einkommenseinbussen zur Folge - er selbst schätzt, dass er heute ein Drittel weniger verdient als noch vor wenigen Jahren. "Das Geld sitzt nicht mehr so locker", berichtet Greenstein. "Früher gab es immer irgendwelche Leute vom Film oder aus der Computerbranche, die zuviel Geld hatten."

Greenstein spielt zwar auch bei Turnieren und tritt regelmäßig in der Fernsehserie "High Stakes Poker" auf. Seinen Lebensunterhalt verdient der 54-Jährige aber mit so genannten Cash Games - klassischen Geldspielen in einer Runde, in der sich ein Spieler einkaufen und auszahlen lassen kann, wann immer er will. Während die Pokertische in der Vergangenheit eine Tummelwiese von Promis und anderen Leuten mit zuviel Geld waren, gleichen sie nun einem Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft: Den Teilnehmern ist der Risikoappetit gehörig vergangen.

Die gesunkene Risikobereitschaft zeigt sich auch in Bobby’s Room im Bellagio-Kasino von Las Vegas. In dem Pokerraum, der nach der Zocker-Legende Bobby "The Owl" Baldwin ("Eulen-Bobby") benannt ist, werden kaum noch Runden mit sehr hohen Einsatzlimits ausgetragen. Noch vor anderthalb Jahren pokerten hier Spieler fünf bis sechs Mal pro Woche mit Limits von 2000 oder 4000 Dollar. Jetzt treffen sie sich für Partien mit derart hohen Einsätzen in Bobby’s Room nur noch alle paar Monate zu Turnieren.

Dass es beim Poker "etwas ruhig" geworden ist, bestätigt auch Howard Lederer, der bei Turnieren bislang 5 Mill. Dollar abgeräumt hat. Dabei könnten gerade die Händler an den Finanzmärkten viel von den Pokerstrategien lernen, sagt Lederer. "Bei Poker geht es um kontrollierte Aggression, nicht um blanken Irrsinn", erklärt der 45 Jährige. "Es gilt, Risiken abzuwägen." Dies sei in Zeiten wie diesen besonders wichtig.

Poker erfreute sich in den USA einer zunehmenden Beliebtheit, nachdem der Amateur Chris Moneymaker 2003 die Turnierreihe "World Series of Poker" gewann. Dass Fernsehsender die Partien übertrugen, erhöhte das öffentliche Interesse. Online-Pokerrunden schossen wie Pilze aus dem Boden. Greenstein veröffentlichte 2005 sein Pokerbuch "Ace on the River" (Deutscher Titel: "Ass auf dem River").

Das Spiel hat Greenstein früh gelernt - sein Vater Jack war bereits ein erfolgreicher Pokerspieler. Im Alter von 36 Jahren machte Barry das Kartenspiel zum Beruf, nachdem er zuvor Mathematik und Computerwissenschaften studiert und beim Softwarehaus Symantec Corp. gearbeitet hatte. Die Gewinne reichten aus, seine Familie zu ernähren: Eine Frau, zwei Kinder und vier Stiefkinder.

Eine Zäsur erfuhr die Pokerbranche im Jahr 2006. Der Boom ebbte ab, berichten Spieler. Der US-Kongress verabschiedete ein Gesetz, das Amerikanern den Zutritt zu Online-Pokerräumen erschwerte. Im folgenden Jahr kam die Finanzkrise hinzu, die Amateuren die Lust am Zocken vergällte und damit den Profi- Spielern das Leben erschwerte.

Den eisigen Hauch der Rezession spüren auch Pokeranbieter im Internet. Nach Einschätzung des Marktforschers Global Betting and Gaming Consultants werden die Umsätze beim Online-Poker dieses Jahr zwar 10,8 Prozent auf 3,87 Mrd. Dollar steigen. Doch die Zuwachsraten betrugen 2005 noch 54 Prozent und 2006 immerhin 32 Prozent. "Die Vorstellung, dass man sehr schnell Geld auch verlieren kann, war einige Zeit aus unserer Psyche ausgeblendet", sagt Geschichtsprofessor Robert Brent Toplin von der University of North Carolina.

In den USA mehren sich jedoch die Stimmen, die den Bann für Online-Angebote aufheben und ein lizenziertes Programm schaffen wollen. Aufschlüsse über das Interesse an den Pokerrunden im Kasino erhoffen sich Marktbeobachter von der Turniersaison, die Ende Mai beginnt und bis Mitte Juli geht. Durch zahlreiche Turniersiege gewann Greenstein bislang mehr als 6 Mrd. Dollar. Im Gegensatz zu manchen Zockern an der Wall Street spendete Greenstein seine Turniereinnahmen jedoch für wohltätige Zwecke. Diese Attitüde bescherte ihm den Spitznamen "Robin Hood des Poker".

Quelle: <a href="http://www.boerse-express.com">http://www.boerse-express.com</a>