Kasinos knapsen in der Krise


Rien ne va plus - nichts geht mehr: Der Großteil der etwa 80 deutschen Spielbanken musste zuletzt kräftige Einbußen hinnehmen. Kopfzerbrechen bereitet besonders das Kasino in Aachen. Für die Verantwortlichen ist die Finanzkrise nur ein Grund für das schlechte Geschäft.
Die Kasinos in Nordhrein-Westfalen verzeichnen deutliche Einnahmerückgänge. (Symbolbild: dpa) Die Kasinos in Nordhrein-Westfalen verzeichnen deutliche Einnahmerückgänge. (Symbolbild: dpa)KÖLN. Rien ne va plus - nichts geht mehr. Mit diesem Satz endet am Roulette-Tisch die Phase, Einsätze zu platzieren. Die Worte des Croupiers bringen aber auch die Stimmung auf den Punkt, die derzeit in vielen Kasinos herrscht: Alarmstufe Rot. Der Großteil der etwa 80 deutschen Spielbanken musste zuletzt kräftige Einbußen hinnehmen. „Eine Spielbank zu betreiben ist im Moment hoch unattraktiv“, sagt Matthias Hein, Sprecher der Deutschen Spielbanken-Interessen und Arbeitsgemeinschaft (DeSIA).
Einnahmen gingen um fast 22 Prozent zurück

Im vergangenen Jahr sind die Einnahmen aus den Spieleinsätzen im Durchschnitt um fast 22 Prozent gesunken, von 923 auf 722 Millionen Euro. „Das erste Quartal 2009 verlief ähnlich schlecht“, klagt Hein.

Auch die Westdeutsche Spielbanken GmbH, die die vier NRW-Standorte Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund-Hohensyburg und Duisburg unterhält, musste zweistellige Rückgänge verkraften. Mit einem Minus von rund 16 Prozent lag die Gruppe, die auch Kasinos in Bremen, Erfurt und Berlin betreibt, aber noch über dem Bundesdurchschnitt.

WestSpiel ist eine Tochter der NRW-Bank, deren Mehrheitseigentümer das Land ist. Ihr Bruttospielertrag (BSE), also die Differenz zwischen Spieleinsätzen und ausbezahlten Gewinnen, lag 2008 bei 160 Millionen Euro, davon knapp 130 Millionen in NRW. 2007 waren es hierzulande noch etwas über 150 Millionen Euro.

Dennoch konnte die Gruppe 2008 ihren Überschuss gegenüber dem Vorjahr auf 2,8 Millionen Euro verdoppeln - vor allem dank des Erfolgs des Duisburger Standorts, der die Durststrecken anderer Kasinos überzukompensieren half.

Das meiste Kopfzerbrechen bereitet der WestSpiel-Zentrale das Kasino in Aachen: Die Zahl der Besucher ging hier 2008 um 16 Prozent zurück, im Automatenbereich sogar um ein Viertel. Der BSE sank um 18,7 Prozent auf 11,25 Millionen Euro. „Weitere Rückgänge sind kaum zu verschmerzen“, sagt Direktor Hans-Jürgen Strunck. Für WestSpiel-Geschäftsführer Horst Jann ist die Aachener Misere ein Standortproblem. „Die regionale Randlage, fehlendes Bevölkerungspotenzial und Konkurrenz im angrenzenden Ausland sind suboptimal für das Kasino.“

Für DeSIA-Sprecher Matthias Hein hat die Branchenmisere viele Ursachen: Neben der Finanzkrise und dem Rauchverbot würden auch die Auflagen des 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags den Spielbanken zusetzen. „Wir müssen seitdem hohen Spielerschutz gewähren, die Konkurrenz nicht“, sagt Hein. Nur konzessionierte Spielbanken seien verpflichtet, ihre Gäste mit einer bundesweiten Datei abzugleichen, um Problem-Spieler zu identifizieren. Die Kontrollen verschreckten viele Spieler, so dass sie in Spielhallen und ins Internet abwanderten. „Da ist der Staat auf einem Auge blind.“ Daran würden auch die Begrenzung der Einsätze, stündliche Zwangspausen und die Nummer des Beratungstelefons an den Spielhallen-Geräten wenig ändern.

Duisburg ist Innovations-Vorreiter

In der Praxis würden diese Vorkehrungen meist umgangen: Spieler spielten an mehreren Automaten gleichzeitig oder hintereinander, und die Einhaltung der Auszeiten sei kaum zu kontrollieren. Als Grund für die Ungleichbehandlung hat Hein die rechtlichen Zuständigkeiten ausgemacht. „Das für die Kasinos zuständige Ordnungsrecht der Länder ist strikter als das bundesweite Gewerberecht, das die Spielhallen reguliert.“ Dass dieser Zustand unverändert bleibt, schreibt Hein auch der Lobbyarbeit der Automatenhersteller zu: Schössen die Spielhallen nach wie vor „wie Pilze aus dem Boden“, legten auch deren Umsätze weiter zu.

macht aber auch die Kasinos für den Abwärtstrend mitverantwortlich. „Viele haben lange nur auf Automaten gesetzt, wo zweistellige Zuwächse erzielt wurden.“ Die Spielbanken müssten ihr Angebot erweitern. „Viele sind da schon auf einem guten Weg.“

Die Vorreiterrolle hat die neue Spielbank in Duisburg inne, die sich binnen kürzester Zeit zum Branchenprimus entwickelt hat. Gegen den Trend verbuchte das erst 2007 eröffnete Haus im Klassischen Spiel - Poker, Roulette und Black Jack - einen Zuwachs von 21 Prozent und im Automaten-Bereich nur ein Minus von 7,5 Prozent. Es bietet moderne Architektur, technische Innovationen und eine gute Infrastruktur mit Parkhaus, Bars und Restaurant. „Einmal im Monat treten Schlagerstars auf, zudem veranstalten wir auch Automatenturniere mit Preisgeldern“, sagt Kasino-Direktorin Claudia Bieling.

Auf einen hohen Unterhaltungs- und Event-Faktor setzt auch die Spielbank im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler, die eine Zweigstelle im neuen Freizeit- und Geschäftszentrum am Nürburgring eröffnet hat. Geschäftsführer Michael Seegert verspricht sich viel von dem „gigantischen Projekt“ - auch Deutschlands älteste Spielbank musste im ersten Halbjahr des Jahres Umsatzeinbußen von 18 Prozent verkraften.

Quelle: rundschau.de